Gedanken zum Tag oder I mog hoam! – DER 6.TE REITTAG

Der Tag beginnt mit Sonnenschein und doch ist mir das heute alles egal. Ich habe das, was man einen klassischen Durchhänger nennt und auch auf die Gefahr hin, mich jetzt als Weichei zu outen, bestimmt mich nur ein Gedanke: I mog hoam…

Irgendwie kommt heute alles zusammen. Mein Pferd ist verletzt, ich habe dank feuchtem Bett nicht gut geschlafen, ich habe mit meinem Freund telefoniert und vermisse ihn, habe mit meiner Tochter geschrieben und vermisse sie auch total und vor allem habe ich die Schnauze voll!

Ich habe die Schnauze voll von der ewigen Lästerei gegen alles und jeden und auch davon, dass ich mich ständig zurückhalten muss um niemanden auf die Füße zu treten, während manch anderer fröhlich auf meinen Füßen trampeln darf. Die Zusicherung meiner Freundin Steffi und ihres Mannes, mich jederzeit abzuholen, erscheint mir gerade als grandiosen Ausstieg aus diesem Drama und als Verhinderung eines drohenden Ausrasters an dessen Ende wir wahrscheinlich allein weiterreiten müssten. Da ich diesen Gedanken nicht erschreckend, sondern vielversprechend finde, mache ich einen kurzen Spaziergang um über alles nachzudenken.

Als ich zurück komme sieht mich Georg nur an und meint „Geht es wieder?“ Ich entschließe mich dem Ganzen noch eine Chance zu geben. Wahrscheinlich auch nicht zuletzt deshalb, weil Georg jeden Tag das Bedürfnis hatte abzubrechen und mir zuliebe geblieben ist. Ich bin es ihm schuldig jetzt durchzuhalten, wir ziehen das gemeinsam durch.

Als er offen vor allen ausspricht, dass es ihn wütend macht wenn seine Freunde traurig sind, bin ich gerührt und kämpfe mühevoll mit dem Pipi in meinen Augen, dass ich vor ein paar Minuten mit einem Lächeln getarnt hatte. Mir wird bewusst, dass man in Situationen wie diesen, seine Freunde neu kennen lernt und sie in einem anderen Licht sieht und mir wird noch eines bewusst: Abgesehen von einigen wenigen sind wir ein tolle Gruppe! Wie schade ist es, dass man so etwas vergisst weil einen einzelne verärgern. Ich will das nicht zulassen und gehe Soleo satteln.

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Mein Pferd stupst mich liebevoll an und wie immer wenn ich nicht gut drauf bin, ist er superlieb. Sieht ganz so aus, als wenn er weitergehen will, obwohl er leicht angeschlagen ist. Also wenn Soleo kämpft, dann kann ich das auch! Während wir losreiten, denke ich darüber nach, was genau mich wütend gemacht hat. Verletzt und ärgert mich die Unprofessionalität dieser ganzen Veranstaltung? Ärgert es mich wie hier mit zahlenden Kunden umgegangen wird? Bin ich altmodisch, wenn ich noch die Einstellung habe, dass ein Veranstalter jedem Kunden den gleichen Respekt entgegenzubringen hat?

Vielleicht bin ich schon zu lange als Dienstleister tätig und das nicht nur im Hauptberuf, sondern auch freiberuflich. Wie der Name es sagt, leistet man in diesen Berufen Dienste und es ist ein erklärtes Ziel den Kunden so zufriedenzustellen, dass er bleibt oder/und wiederkommen will. So sollte es zumindest sein. Weil ich immer an das Gute im Menschen glaube, habe ich tatsächlich bis zu einem gewissen Punkt Verständnis für manche Handlungsweisen. Die Organisatorin ist froh, dass jemand den Ritt für sie übernommen hat, ansonsten hätte sie absagen müssen ABER genau dann muss sie dafür sorgen, dass die Vertretung gut ist und in ihrem Sinn handelt und sie selbst muss trotzdem jederzeit Ansprechpartner sein.

Kann sein, dass die Rittführung als privater Reitgast in Ordnung gewesen wäre. Sie wäre sicherlich nicht der Typ Mensch gewesen mit dem ich Telefonnummern ausgetauscht hätte und der mein bester Freund geworden wäre, aber auch niemand der mich sonderlich gestört hätte. In der Position die sie jetzt innehat, lernen wir sie jedoch in einer Art und Weise kennen, für die ich nicht zahlen möchte. Für den Fall, dass ich auf diese Weise behandelt werden möchte, buche ich entweder ein Heim für Schwererziehbare oder ein amerikanisches Boot-Camp.

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Es macht mich richtiggehend aggressiv, dass Kritik oder Unzufriedenheit nie direkt geäußert werden, nicht einmal dann, wenn man nachfragt.  Es ist immer alles in Ordnung. Über den Flurfunk (oder sagt man in der Situation Sattelfunk?) erfahre ich, dass man mit uns einfach nicht reiten kann, weil wir keine Ahnung vom Reiten und insbesondere von Wanderritten und dem Verhalten auf der Straße haben.

Sorry? Habe ich etwas verpasst? Schon vergessen, dass wir die ganze Zeit nichts anderes tun, als auf eure Sicherheit zu achten? Genauso ärgern mich Kommentare über 2 Mitreiterinnen. Diese hätten ihre Pferde nicht im Griff und gehörten nicht auf einen Wanderritt. Ich bin bei solchen Dingen echt kritisch und die beiden haben wirklich temperamentvolle Stuten, trotzdem haben sie ihre Pferde in jedem Moment im Griff. (Ganz im Gegenteil zu einem weiteren Mitreiter, der sein Pferd dazu zwingen will vorn zu gehen und deshalb regelmäßig mit seinem panisch rückwärts rennenden Pferd andere in Gefahr bringt.)

Ich gebe es zu und ich stehe dazu: Ich bin ein Sicherheitsfreak und ja ich bin verwöhnt! Bei jedem Ritt den ich in Georgs Betrieb gemacht habe, gab es zu Beginn eine klare Ansage über die wichtigsten Regeln und wenn etwas nicht geklappt hat, wurde es sofort und direkt angesprochen. Ich habe bei noch keinem Ritt solche unsicheren und gefährlichen Situationen erlebt, wie in den letzten Tagen. Das wichtigste aber, aus den unterschiedlichsten Menschen wurde immer eine eingeschworene Gruppe und nie absichtlich ein Keil zwischen die Teilnehmer getrieben. Manche meiner engsten Freunde habe ich auf diesen Ritten kennengelernt. Bei diesem Ritt gibt es 2  Gruppen und egal was du machst, du kommst nicht umhin für oder gegen Klara zu sein. Es gibt kein sich heraushalten, es ist jeden Tag irgendetwas anderes.

Mir fällt in dem Zusammenhang eine Redewendung ein, die man in gern Heimat Niederbayern benutzt:

„Mia san koane heirigenHosn mehr…“

Also für Nichtbayern kurz erklärt: Das bedeutet so viel wie: „Wir sind keine 20 mehr und verfügen durchaus über einige Erfahrungen.“ Georg hat seit 1991 seinen eigenen Betrieb und trägt Verantwortung für Pferd und Reiter. Er veranstaltet Kurse und Wanderritte und nimmt Pferde in Beritt die kurz davor sind von ihren Besitzern aufgegeben zu werden. Ich selbst arbeite seit mittlerweile über 10 Jahren als Trainer, mit dem Schwerpunkt „Angst beim Reiten“ habe ein Buch darüber geschrieben und halte zu diesem Thema Kurse und Vorträge und ich behaupte, dass wir beide wissen was wir tun. Ich kann auch gut mit Kritik umgehen, wenn sie offen und fair geäußert wird. Kritik ist wichtig und zeigt Punkte auf die man verbessern kann. Kritik die jedoch von Menschen kommt, die verantwortlich für eine Gruppe sind und sich dann nicht mal nach ihnen umdrehen wenn eine Gefahrensituation besteht, kann ich nicht für voll nehmen.

Genug geschimpft! Das wollt ihr gar nicht lesen 😉

J

Jetzt komme ich lieber zum 6.ten Reittag und ich kann euch sagen, im Lauf dieser Reise werde ich feststellen, dass es Situationen gibt in denen sogar ich Probleme habe ruhig zu bleiben und in meiner Wut gestoppt werden muss um niemanden tätlich anzugreifen. Glaubt ihr nicht?

Wartet es ab…

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