Reiten im Landl – Tag 1

Am Samstag den 06.05.2017 war es dann endlich soweit. Die Koffer waren gepackt und so startete Patricia in Österreich, während sich Steffi und ich in Oberbayern als Fahrgemeinschaft zusammentaten. Wir kamen sehr gut voran, doch vor die Ankunft auf der Key Mountain Ranch hat der liebe Gott noch eine enge steile Straße gesetzt, die sich in Serpentinen den Berg hinaufschlängelt. Unser einziger Wunsch, dass uns keiner entgegenkommt, wurde erfüllt und wir trafen fast zeitgleich auf der Ranch in Schlüsselfeld ein.

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Der Blick über das ganze Trattnachtal und den Kurort Bad Schallerbach war wahnsinnig beeindruckend. Bei strahlendem Sonnenschein standen wir auf der Terrasse, sahen uns an und auf einmal war es da: Das Gefühl Urlaub zu haben und zu wissen, dass dies ein ganz besonderer Urlaub werden würde. Zu diesem Gefühl trug definitiv die herzliche Begrüßung von unseren Gastgebern bei. Mandi heißt eigentlich Manfred Hofer und ist ein Bär von einem Mann. Er und seine Frau Heike strahlen so viel Wärme und Herzlichkeit aus, dass man sich nicht nur sofort wohlfühlte, sondern auch das Gefühl hatte ewig dazuzugehören. Die Boxen waren eingestreut, Heu uns Wasser lag zur Begrüßung bereit und so fühlten sich auch unsere Pferde sofort heimisch. Unsere Unterkunft für die erste und auch die letzte Nacht war ein gemütliches kleines Gartenhäuschen, direkt neben dem Chickenhouse gelegen. Sehr bezeichnend, oder?

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Nach einer kurzen Pause beschlossen wir noch einen kleinen Willkommensritt zu machen und Heike bot uns an, uns dabei zu begleiten. Bevor es losging, erhielten wir noch unsere Plakette „Reiten im Landl“. Mit dem Erlös werden die Beschilderung und der Erhalt der Reitwege finanziert und es werden ständig neue Routen geplant und ausgearbeitet. An dieser Aktion beteiligten wir uns natürlich gern. Abgesehen davon ist es für uns eine tolle Erinnerung und ziert jetzt die Halfter unserer Pferde. Der erste Eindruck bestätigte uns alles, was wir im Internet gesehen und uns erhofft hatten. Eine traumhafte Gegend, viele Wälder, schöne Wege und total nette und aufgeschlossene Menschen. Heike erklärte uns bei der Gelegenheit das erste Stück für den morgigen Tag und so konnten wir abends entspannt Mandis Erklärungen über die Streckenplanung zuhören.

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Wanderritt 2017 – Die Vorbereitungen…

Wanderreiten – Das Erlebnis mehrere Tage mit dem Pferd unterwegs zu sein und sich komplett dem Tempo des Pferdes und der Natur anzupassen, ist ein ganz besonderes Erlebnis und fast wie eine Sucht. Aus diesem Grund zieht es uns mindestens einmal im Jahr weg vom heimatlichen Stall und hin zu einem neuen Reitgebiet. In diesem Jahr wollten wir zu dritt, oder besser gesagt zu sechst reiten.  Wir das sind Steffi aus dem Raum Augsburg mit ihrem Tinker Desperado, Patricia aus dem Zillertal mit ihrem Traber Paul und ich, Mia, aus dem Raum Bad Tölz mit meinem Andalusier-Berber Mix Soleo.

Während Patricia und ich bereits  seit vielen Jahren aktive Wanderreiter sind, war es für Steffi der 2.te Wanderritt und deshalb stand für uns im Fokus, einen Anbieter zu finden, der nicht nur mit einer schönen Landschaft punkten kann, sondern ebenfalls mit einer guten Organisation. Jeder der öfter Organisierte Ritte macht, kommt leider auch irgendwann einmal an die schwarzen Schafe der Branche und so war es auch uns im letzten Jahr ergangen. Unser Resümee aus diesem absoluten Katastrophenritt? Wir wollten gebuchte Übernachtungen und somit ein Mindestmaß an Sicherheit, aber trotzdem wollten wir allein reiten. Entsprechend hoch war somit unsere Erwartung an den Veranstalter.

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Wir erstellten eine Liste mit all den Punkten, die uns wichtig waren. An erster Stelle in unserer Liste, wie bereits erwähnt: Wir wollen allein reiten! Ohne Rittführer, ohne fremde Gruppe aber mit erprobtem Kartenmaterial, dass uns den Weg zeigt. Als nächsten Punkt wollten wir fest gebuchte Unterkünfte für uns und unsere Vierbeiner, Verpflegung für die Pferde und wenn möglich Frühstück, wobei wir Reiter ja bescheiden sind. Hauptsache die Pferde sind versorgt, schließlich müssen die uns auch tragen. Bei den „Nice to have“ Punkten stand der Gepäcktransport ganz oben, gleich neben einem Ansprechpartner für eventuelle Notfälle. Auf den Punkt gebracht, wollten wir also einen organisiert, unorganisierten Ritt mit Raum für persönliche Freiheit und eigenen Abenteuer.

Die Suche nach diesem Wunderritt gestaltete sich, wie bereits befürchtet, ziemlich schwierig. Bei einigen Anbietern gefiel uns zwar das Angebot, jedoch war der Preis in Höhe eines 14-tägigen All inclusive Karibikurlaubs. Bei aller Liebe zum Pferd, aber irgendwie sollte doch alles noch in einer gewissen Relation stehen. Die Suche ging weiter und nach unzähligen Vorschlägen und Internetsuchen kam uns der Zufall, in Form einer anderen Freundin, zu Hilfe.

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Reiten im Sauwald, genauer gesagt im Landl. Sauwald? Landl? Was sollte denn das sein? Zugegeben meine Erdkundekenntnisse waren noch nie so gut und so brachte erst die Google Suche Klarheit. Was wir sahen, gefiel uns ausnehmend gut. Fast 300 km markierte Reitwege. Es gab sogar einen Verein, der dafür sorgt, dass die Wege in Stand gehalten und ausreichend beschildert wurden. Wir mussten nicht lang überlegen und schrieben die erste Anfrage. Die Antwort ließ nicht lang auf sich warten und es stellten sich uns Heike und Mandi Hofer, kurz, nett und unkompliziert vor. Wir mussten nur den Zeitraum angeben und sie versprachen uns, sich bald mit einem Routenvorschlag zu melden. Obwohl wir den Termin sogar kurzfristig verschieben mussten, gab es keine Schwierigkeiten und wir erhielten nach kurzer Zeit eine Rückmeldung mit unseren geplanten Stationen und der Strecke. Die Übernachtungen waren bunt gemischt. Vom Tipi über das Gästehaus, bis hin zum gemütlichen Mehrbettzimmer war alles dabei. Wir mussten nicht lange überlegen, buchten unsere Reise und waren gespannt, was uns erwartete.

 

 

Sorry….

…für die lange Zeit, in der ihr nichts mehr von mir gehört habt.

Das Leben meint es manchmal gut mit uns. Dann passieren so viele Dinge gleichzeitig und bis man sich versieht, sind Tage, Wochen und Monate vergangen. Ich hoffe, Ihr seid nicht böse und habt immer noch Lust auf meine Geschichten.

Als Erstes habe ich für euch ein neues Abenteuer, denn auch in diesem Jahr war ich wieder beim Wanderreiten. Dieses mal jedoch ohne Wutanfälle 😉

Viel Spaß und euch allen eine schöne Zeit.

Eure

Mia

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Mein persönliches Resümee der Alpenüberquerung 2016…

Ein Kaminkehrer heißt Kaminkehrer, weil er Kamine kehrt. Ein Werkzeugmacher heißt Werkzeugmacher weil er Werkzeuge macht und ein Rittführer heißt Rittführer weil er Ritte führt, so zumindest die Annahme. So unterschiedlich diese Berufe auch sein mögen, so haben sie doch eines gemeinsam: Für alle diese Berufe braucht man eine Ausbildung und das ist durchaus sinnvoll!

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Jeder der selbst Kurse hält, weiß wie wichtig es ist, aus den verschiedenen Menschen die sich zusammenfinden, ein Team, eine Gruppe zu formen. Das fördert den Zusammenhalt und somit auch die gegenseitige Achtung und Rücksichtnahme und vor allem gibt es jedem Einzelnen das Gefühl, Teil des Ganzen zu sein. Auf diesem Ritt, wurde leider von den Verantwortlichen nichts dergleichen unternommen. Das Verhalten war geprägt von Ignoranz, Intoleranz, schlechter Laune, noch schlechteren Informationen und fehlender Hilfestellungen.

Ich bin seit vielen Jahren begeisterter Wanderreiter und kann mit miesen Unterkünften, schlechtem Wetter und seltsamen Essen umgehen. Was stimmen muss, ist dieses ganz besondere Gefühl, dass uns Wanderreiter verbindet. Das Gefühl der Zusammengehörigkeit, des gegenseitigen Helfen und des Wissens, dass man den Ritt zusammen schaffen wird. Ein richtiger Wanderreiter braucht keinen unnötigen Luxus und uns ist die gute Unterbringung unserer Pferde wichtiger, als die eigene Unterkunft. Was wirklich zählt, ist gegenseitiger Respekt voreinander und der darf unter keinen Umständen verloren gehen…

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Ich hatte diesen Ritt gebucht, um mir einen Traum zu erfüllen. Die Buchung war sehr kurzfristig und ich war glücklich, dass Georg und ich noch einen Platz bekommen haben. Die Rückmeldungen der Veranstalter haben mir ein gutes Gefühl gegeben und ich war davon überzeugt, eine gute Wahl getroffen zu haben. Bereits kurz nach der Ankunft kamen die ersten Zweifel in mir hoch. Es ist mir durchaus bewusst, dass es gerade für ein kleines Unternehmen schwierig ist, einen kompletten Ritt abzusagen. Wenn ich jedoch selbst, gesundheitsbedingt, nicht reiten kann und ich keinen adäquaten Vertreter finde, wäre dies die einzig faire Entscheidung für alle Beteiligten gewesen.

Nach meinen ersten Blogbeiträgen bekam ich eine Nachricht von den Organisatoren. Thema war der Inhalt meiner Beiträge und die Frage ob es denn sein müsse, dass ich das alles so genau beschreibe. Wer mich kennt und zwischen den Zeilen lesen kann weiß, dass es sich hier um die „nette“ und nicht die ausführliche Variante handelt und JA ich bin der Meinung, dass ich es schreiben muss. Das Argument, ich müsse berücksichtigen, dass es sich um einen „Ausnahmeritt“ gehandelt hätte und es mit der richtigen Führung anders gewesen wäre, kann ich so nicht gelten lassen. Es mag sein, dass der Ritt anders gelaufen wäre, das kann ich jedoch nicht beurteilen. Ich kam ohne Vorankündigung in den zweifelhaften Genuss dieses „Ausnahmerittes“ für den ich jedoch keinen Ausnahmepreis gezahlt habe und nur diesen Ritt kann ich beurteilen…

Was mich an dieser ganzen Geschichte wirklich traurig gemacht hat, war und ist die Tatsache, dass ich nicht das Gefühl habe tatsächlich die Alpen überquert zu haben. Ich glaube diejenigen die dabei waren, können das nachempfinden. Dieser ganze Stress, die Hektik, das ewige Hin und Her. Es ging viel zu viel dabei verloren. Vor allem die Momente in denen man sich eigentlich denkt: „Wahnsinn, jetzt bin ich in Österreich“ oder „…jetzt sind wir am Pass“ all diese Momente, die einen sonst total umhauen, fehlen komplett. Gut, ich habe andere Momente im Gepäck. Zum Beispiel „Hey, ich bin allein auf der Reschenstraße galoppiert und zwar quer!“ oder „Schau mal, da oben habe ich meine Beherrschung verloren!“ das sind tatsächlich Momente, die mich (im Nachhinein) zum Schmunzeln bringen.   😀

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Da ich bekanntermaßen ein gnadenloser Optimist bin, will ich euch die positiven Seiten nicht vorenthalten. Ich habe meine persönlichen Grenzen ausgetestet und gelernt, dass es Menschen gibt, die sogar mich wahnsinnig machen und das es durchaus Dinge gibt, die mich stolz machen:

Stolz bin ich in erster Linie auf Soleo. Er schafft es zuhause vor seinem Schatten zu erschrecken (By the way: Wir haben gestern tatsächlich 40 Minuten gebraucht um an einem Absperrband mitten im Wald vorbeizukommen), aber bei diesem Ritt hat er LKW´S, Fahrradfahrer und ständiges Chaos mit einer Gelassenheit bewältigt, die unglaublich war.

Stolz bin ich auf Georg, weil er sich einmal mehr als der gute Freund bewiesen hat, der er ist.  Nicht nur, dass er mich auf diesem Ritt begleitet hat, wir haben uns gegenseitig davon abgehalten abzubrechen oder Mitreiter tätlich anzugreifen. Egal, ob wir zusammen mit Patricia auf dieser Sch….. Teerstraße galoppiert und piaffiert sind oder uns auf der „Top- Galoppstrecke“ die Steine um die Ohren geflogen sind, wir haben nie unseren Humor verloren.

Stolz bin ich auf Lissy und ihre Freundin, die trotz dem schlechten Verhalten von Anderen stets ihre Haltung bewahrt haben und nie auf das gleiche Niveau gesunken sind. Auf Lissy bin ich vor allem  deshalb stolz, weil sie mehrmals auf diesem Ritt versucht hat, die Wogen zu glätten und vermeintliche Schuld auf sich genommen hat, obwohl es nicht an ihr lag!

Stolz bin ich auf Patricia, weil sie sich vom ersten Moment an, als unheimlich liebenswerter und wertvoller Mensch bewiesen hat. Weil sie mit mir den Ritt durch freilaufende Kuhherden souverän gemeistert hat und mich trotz eigener Kämpfe mit ihrem Pferd auf der Reschenstraße nicht allein gelassen hat und weil sie mit mir über jeden Blödsinn lachen konnte.

Stolz bin ich auf einige andere, deren Namen ich hier nicht nennen soll, weil wir einfach zusammengehalten haben und gemeinsam versucht haben das Beste aus allem zu machen.

Stolz bin ich auch auf unsere selbstlose Hufschmiedin, die sich (obwohl sie nur ein Reitgast war) um sämtliche Beschlagsprobleme aller Reiter gekümmert hat.

Stolz bin ich letztendlich auch auf mich, weil ich weitergemacht habe als ich keine Lust mehr hatte und nie daran gezweifelt habe es zu schaffen. (Gut, manchmal habe ich daran gezweifelt, dass ich es schaffen werde ohne in der Zwischenzeit jemanden in den Abgrund zu schubsen oder im Hochmoor zu versenken. Aber ansonsten: Keine Zweifel!   😉  )

Was lehrt mich also das Leben und dieser Ritt? Egal was passiert, es hat immer seinen Sinn und bringt dir irgendetwas bei. Oder wie heißt es auch immer so schön? Es gibt kein zufälliges Treffen. Jeder Mensch in unserem Leben ist entweder ein Test, eine Strafe oder ein Geschenk.  (manchmal vielleicht sogar ein guter Witz vom lieben Gott…)

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Ich bin mit meinem Bericht über die Alpenüberquerung am Schluss angelangt und danke all denen, die mir immer wieder dazu geschrieben haben und denjenigen die mich unterstützt haben, wenn ich dachte es geht nicht mehr. Ich werde, wie versprochen, auf jedem Fall eine erweiterte Version von diesem Blog veröffentlichen. Lasst mir einfach nur ein bisschen Zeit dazu, ich sage euch Bescheid sobald es soweit ist.

Am Besten abonniert ihr den Blog hier auf der linken Seite, dann verpasst ihr keine Info und seid auch wieder bei den Themen dabei, die nicht so pferdelastig sind.

In diesem Sinne wünsche ich euch eine schöne Zeit

Alles Liebe und bis bald

Mia

DIE ALPENÜBERQUERUNG – Ab nach Hause…

Als der Wecker um 03:30 läutet, hasse ich ihn. Dann fällt mir ein, warum er läutet und auf einmal ist das Aufstehen ziemlich leicht…

Waschen, Anziehen, Koffer packen. Das alles in Rekordzeit. Irgendwie ist es schon fast lustig wie Georg und ich im Laufschritt,  mit Koffern bepackt, Richtung Auto rennen. Das Ganze hat ein bisschen was von Bonnie und Clyde auf der Flucht. Das Gepäck wird in das Auto geschmissen und Georgs Ansage „Mach den Hänger auf, ich hole die Pferde!“ verstärkt das Gefühl von Flucht. Während ich mich noch über die Situationskomik amüsiere, kommt Georg bereits im Dunkeln mit den Pferden.

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Die beiden Jungs steigen ohne zu zögern ein. Wahrscheinlich befürchten sie, dass sie sonst die Strecke wieder zurücklaufen müssen und wählen deshalb ihr persönliches Taxi. Es hätte mich  nicht gewundert, wenn die beiden in den Hänger galoppiert wären. In Rekordzeit ist alles verpackt, die Pferde verladen, der Hänger geschlossen und Georg startet sein Auto.

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Der Blick auf`s Handy zeigt: Eine Stunde nach dem Aufstehen sind wir unterwegs…

Das Blubbern des großen Dodge durchbricht die nächtliche Stille und ich denke noch kurz an diesen Trip zurück. Meine melancholische Stimmung wird jedoch durch eine sehr wichtige Mitteilung von Georg unterbrochen. „Wir brauchen Kaffee!!!!“ War eigentlich klar, dass wir ohne unsere morgendliche Koffeindröhnung nicht einsatzbereit sind. Gut, dass der Drang nach Hause zu kommen bei uns beiden überwogen hat, denn so wurde wahrscheinlich am Morgen das dringend benötigte Koffein durch Adrenalin ersetzt 😉

Mit einem riesigen Becher Kaffee in der Hand lässt es sich definitiv auch besser nachdenken. Ich freue mich unsagbar auf Zuhause, darauf meine Ruhe zu haben, nicht ständig streiten zu müssen, tun und lassen zu können was ich will, nicht mehr stundenlang auf Fahrradwegen entlangzureiten ABER ich werde einiges und vor allem einige vermissen. Ich werde in erster Linie vermissen, jeden Tag viele Stunden mit meinem Pferd unterwegs sein zu können, Kaffee mit Georg und den Mädels zu trinken, Frühstück das bereitsteht, leckerer Salat zum Mittagessen und definitiv werde ich diesen geregelten Tagesablauf mit den Pferden vermissen.

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Looking back…

Bei unserer Heimreise haben wir Glück und unser Plan geht auf. Ohne jede Verzögerung sind wir gegen Mittag im Stall. Kein einziger Stau hat uns blockiert und wir sind zügig durchgekommen. Als wir auf den Reschentunnel zugefahren sind, wurde uns bewusst in welch irrer Situation wir uns hier befunden haben. Das ist tatsächlich die Straße die wir entlang galoppiert sind. Unglaublich, das Ganze ist schon wieder so weit weg, dass es unwirklich erscheint.

Wenn ihr auf das Bild rechts schaut, sieht man eine Einfahrt. Das ist die Einfahrt, in der Patricia und ich auf Karlheinz gewartet haben und die Strecke die ihr hier seht, war ich dann beschäftigt mein Pferd zu beruhigen und darauf zu hoffen, dass bald irgendjemand auftaucht den ich kenne. Ich grinse durch den Rückspiegel mein Pferd an und meine stolz zu Georg: „Er ist schon toll, oder?“ „Ja, das ist er. Hat einen guten Job gemacht!“ kommt die Antwort und da wird es mir noch einmal bewusst. Mein Pferd mag in manchen Situationen ein Idiot sein, aber wenn es darauf ankommt, macht er Dinge die sensationell sind.

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An dieses Abenteuer werde ich wohl zukünftig immer denken, wenn ich hier entlang fahre…

Im Stall angekommen, ist mein alter Strietzi (Spitzname von Aaron) komplett außer Rand und Band. Soleo ist zurück und somit das Dreamteam wieder vereint. Die Stallkollegen sind mit Sicherheit auch sehr dankbar, weil mein alter Herr es geschafft hat fast 3 Tage durchgehend zu wiehern. Vielleicht mit ein bisschen Kalkül 😉 Schließlich hat er zum Trost viele tolle Dinge bekommen: Karotten, Äpfel, Mash und jede Menge Leckerli. An dieser Stelle auch noch einmal ein großes Dankeschön an meine Stallmädels. ❤

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Meine Jungs ❤

Als Georg gefahren ist und ich meine Sachen verstaue, merke ich wie die Anspannung abfällt und ich einfach nur müde bin. Ich muss grinsen, als meine Stallkollegen überrascht sind, wie sportlich Soleo aussieht. Bei dieser anstrengenden Strecke, muss man den Erfolg sehen. Georg und ich haben ausgerechnet, dass wir von den insgesamt 260 km circa 160 km zu Fuß gegangen sind und ich glaube wir sehen ebenfalls sportlicher aus 😉  Ich erzähle kurz meine Schnellversion und blicke in erschrockene und erstaunte Gesichter. Mir fällt auf, dass ich mich so an das Chaos gewöhnt hatte, dass es für mich schon normal war. Seltsam wie schnell man sich anpasst, wenn die Möglichkeiten beschränkt sind…

Keiner kann begreifen, warum ich nicht abgebrochen habe. Ich denke kurz darüber nach, aber die Antwort ist ganz einfach: Gute Freunde lassen sich nicht im Stich und wenn sie eine Sache beginnen, bringen Sie diese auch gemeinsam zu Ende…

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Mein Resümee aus diesem Ritt? Seid gespannt auf den nächsten und endgültig letzten Teil dieses Berichtes.

DIE ALPENÜBERQUERUNG – DER 9.TE und letzte REITTAG – Finale, ohhohh…

Der Morgen beginnt mit einer aufregenden Neuigkeit und dem Bild das ihr oben sehen könnt. Als Georg mit den Mädels zum Füttern geht, teilt ihnen ein grinsender Erich mit, dass die Pferde ausgebrochen sind. Die Reiter eilen nervös durch die Apfelplantage und sehen erst einmal nichts…

Als sie etwas sehen, sind sie sprachlos. Alle Pferde stehen friedlich zusammen in einer Ecke und der Reitplatz sieht aus als ob ein Tornado durchgefegt wäre. Anscheinend ist genau das passiert was ich befürchtet hatte: Es war Domino-Day! Überall liegen abgebrochene Zaunstäbe, Elektrolitzen, zertrampelte Elektrogeräte, absolutes Chaos. Es gleicht einem Wunder, dass sich kein Pferd daran verletzt hat, sondern alle entspannt auf die Fütterung warten.

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Man beachte: Soleo hilft beim Aufräumen 😉

Die erste Überprüfung zeigt, dass keine größeren Blessuren zu finden sind und sie zeigt zusätzlich, dass in dieser nächtlichen Aktion jedes Pferd seinen Platz in der Gruppe gefunden hat. Wenn wir als Menschen das geplant hätten, wäre es mit Sicherheit schief gegangen. Die Pferde haben es unter sich geregelt. Meine geheime These ist jedoch eine ganz andere: Die Pferde wussten, dass wir bald nach Hause fahren und sie wussten ebenso, dass es nicht mehr viele Möglichkeiten geben würde, so richtig einen drauf zu machen. So haben sie die Gunst der Stunde genutzt, alle Zäune eingerissen und Party gemacht. Apollo hat sogar etwas gelernt in dieser Nacht. Er hat gelernt, dass sich nicht jede Stute von ihm decken lassen will. Von dieser Lektion erzählen zumindest die Abdrücke auf seiner Brust.  🙂  Soleo hingegen wirkt tiefenentspannt, hat einige wenige Bisswunden und scharrt stolz drei Damen um sich.

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Soleo und seine Girls…

Die Reiter entscheiden sich für das einzig Richtige: das Chaos beseitigen, ein bisschen Heu und Wasser verteilen und dann erstmal frühstücken gehen. Mehr als Schadensbegrenzung bringt sowieso nichts und es würde keinen Sinn ergeben die Gruppe jetzt zu trennen.

Wir frühstücken gemütlich und packen unsere Sachen. Als wir bei den Pferden ankommen steht Soleo immer noch bei seinen drei Damen und ich muss ihm erst einmal klar machen, dass mich seine überschäumenden Hormone kein bisschen interessieren. Die Debatte ist überschaubar, denn auch wenn mein Pferd in der letzten Nacht die Tatsache, dass er kein Hengst mehr ist komplett ignoriert hat, ist er jetzt einfach müde. Das verkürzt die  Diskussion, ob er beim Satteln stehen bleiben oder lieber zu den Mädels gehen soll,  erheblich.

Eine andere Mitreiterin ist total überrascht, weil ihre eigentlich stets vollblütige Stute entspannt wie nie ist. Woran das wohl liegen mag? 😉 Das Geschehen hat alle aufgeheitert. Vielleicht liegt es daran, dass keinem etwas passiert ist und das wir wissen, dass der letzte Reittag angebrochen ist. Beim Losreiten machen sich die Nachwehen der letzten Nacht bemerkbar. Soleo tänzelt wie ein spanischer Deckhengst durch die Gegend und die Stute einer anderen Reiterin hat ebenfalls einen Höhenflug und benimmt sich ähnlich wie mein stolzer Spanier. Die Nacht in Freiheit hat alle ein wenig übermütig gemacht 😉

Trotz der „Verräter“ Rufe meines Freundes Georg, darf Soleo auch heute vorne gehen. Nachdem er sich so tapfer durch den Tritt und die Lahmheit gekämpft hat, werde ich ihn am letzten Tag nicht ständig bremsen und nichts herausfordern. Er hat es sich verdient die letzten Kilometer so entspannt wie möglich zu gehen. Irgendwie habe ich darüber hinaus das Gefühl, dass es für die ganze Gruppe gut ist wenn ich hier reite. Schließlich kann ich so pausenlos unsere Rittführerin nerven, damit sie das Tempo an die Schwächsten anpasst und nicht ihr eigenes Ding macht und es kann auch nicht gelästert werden, weil ich das zwangsläufig hören würde. Ich vermute, dass irgendjemand (am besten die Veranstalter) sich mal die Mühe hätte machen und Klara diese Rittführer-Geschichte ausführlich erklären hätten sollen. Das hätte eventuell zu der Erkenntnis führen können, dass bei Licht besehen auch ein Leithammel nur ein Schaf ist und wir besser funktionieren, wenn wir zusammen halten.

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Im Gegensatz zu den Menschen, haben die Pferde nichts gegen die Veränderung in der Routine und so geht Soleo ganz entspannt voran. Es macht Spaß die anderen ein bisschen näher kennenzulernen, denn bisher war die Gruppe in 2 Bereiche gespalten.  Im Laufe des Tages lässt sogar unsere Rittführung vereinzelt menschliche Züge durchblitzen und wahrscheinlich bräuchte es nur noch weitere 10 Tage damit sie auftauen würde. Lediglich Karlheinz und ich finden so gar keinen Draht zueinander. Dabei ist es ihm scheinbar nicht wichtig wo ich gerade reite. Er ist extrem genervt von meiner Anwesenheit und muss das in regelmäßigen Abständen loswerden. Ständig brummt er vor sich hin wie gefährlich mein Pferd wäre und welches Risiko er hier eingeht. Sein Gemurmel klingt irgendwie wie betende alte Frauen beim Rosenkranz. Ich verzichte darauf ihm zu erklären, dass mein Pferd zuhause als Bremser für alle nervösen Pferde fungiert und selbst dann noch gelassen bleibt wenn jemand richtig dicht aufreitet. Alles was ich sagen würde ist hier vergebliche Mühe…

Ich konzentriere mich stattdessen auf die wichtigen Dinge eines Wanderrittes: die Truppenbetreuung. Nachdem wir den ganzen Ritt im Minutentakt die Meldung „Fahrrad“ gehört oder weitergegeben haben, löst mittlerweile allein das Wort bei den meisten von uns spontanen Brechreiz aus. Die Schmiedin und ich beschließen das zu ändern und heute nur noch wirklich interessante Meldungen nach hinten weiterzugeben. „Sexy Jogger von vorne“ kommt (zumindest bei den Mädels) gut an.  Ob das auch für den Jogger gilt und ob der sich blöd vorgekommen ist? Neiiiiiiin – Niemals 😉 Mit ein bisschen Glück hat er uns auch gar nicht verstanden…

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Nachdem unsere Hufschmiedin jeden Tag mindestens einmal zum Einsatz gekommen ist und vom verbogenem Eisen bis zu abgebrochenen Stiften alles repariert hat, erwischt es sie heute selbst. Am letzten Reittag muss sie tatsächlich noch ihr eigenes Pferd beschlagen. Wie so oft in den letzten Tagen befinden wir uns in einer Engstelle, es geht bergauf und trotzdem macht sie ihren Job souverän und lässig. Ich bin wirklich sehr froh, dass wir sie dabei haben. Hut ab ebenfalls vor ihrer Hilfsbereitschaft. Nach dieser kurzen Pause geht es weiter und wir befinden uns schon wieder in den Apfelplantagen. Vermutlich bin ich zu diesem Zeitpunkt die Einzige, die diese scheinbar endlosen Reihen von Äpfeln immer noch toll findet. Der Weg führt über kleine Brücken und schmale Wege. Das Wetter ist traumhaft und die Äpfel immer in Soleos Nasenhöhe 😉 Ja, ich weiß – Das grenzt ja schon fast an seelischer Grausamkeit, doch da muss er jetzt durch.

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Heute ist zur Pause etwas Besonderes geplant. Wir reiten durch einen schmalen Steig bis zu einem Biergarten. Der Aufstieg ist nicht ungefährlich weil es auf der linken Seite steil bergab geht, aber wir haben die Alpen geschafft. Was soll hier schon passieren? Karlheinz hält allen das Tor auf, während die Rittführerin sein Pferd mit nach oben nimmt. Er wäre nicht er selbst, wenn er es nicht schaffen würde, sogar hier alle durcheinander zu bringen. Während es links steil den Abhang runter geht, pirschte er sich rechts durchs Gebüsch ohne sich bemerkbar zu machen und verursacht damit erschrockene Pferde und ebenso erschrockene Pferdebesitzer die sich bemühen ihre Pferde vor dem Absturz zu bewahren. Eine Mitreiterin fragt ihn warum er sich nicht einfach bemerkbar macht, damit Pferd und Reiter ruhig bleiben. „Du hast mir gar nichts zu sagen“ schnauzt er sie an, um dann seinen Fehler zu bemerken. Er hatte sie mit mir verwechselt…  So wäre zumindest geklärt, dass er mich nicht so wirklich mag, oder?  😉

Soleo beweist einmal mehr, wie heldenhaft er ist und vor allem das er selbst mitdenkt. Dies lässt meinen (sowieso sehr großen) Stolz auf ihn noch einmal wachsen (wenn das überhaupt möglich ist). Das Pferd eines Mitreiters hat rechts Gras entdeckt und dabei doch glatt übersehen, dass links der Abhang ist. Auf einmal wird es hektisch, denn plötzlich ist das Pferd mit den Hinterhufen gerutscht und findet keinen Halt mehr. Bevor wir reagieren können, greift Soleo ohne mein Kommando ein. Er senkt den Kopf und schubst den Kumpel nach vorne auf den Weg. Der Reiter des anderen Pferdes und ich sind ein bisserl sprachlos und begeistert. Falls ich es noch nicht erwähnt habe: Ich habe das beste Pferd von allen Pferden!

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Superhorse… 😉

Die ganze Aktion ist, wie so vieles auf diesem Ritt, komplett an Klara vorbeigegangen. Den Blick starr nach vorne gerichtet geht sie unbeirrt ihren Weg und wird oben bereits von den Veranstaltern empfangen. Die Pferde werden an den Bäumen festgebunden und auch wenn das für einige ungewohnt ist klappt es überraschend gut. Karlheinz hat sich auch einen Platz ausgesucht. Leider einen Platz, der zu nah an den Stuten liegt und erhält prompt einen Rüffel der Organisatorin. Prinzipiell wäre das verständlich, aber wie so oft macht auch hier der Ton die Musik.

Gerade ich bin jetzt nicht diejenige die gut mit diesem Mann kann und es ist natürlich richtig, dass die Situation gefährlich ist, aber wir sind alle erwachsen und ein bisschen Respekt voreinander ist mir persönlich wichtig. (Abgesehen davon, dass es nicht das erste Mal ist, dass er andere in Gefahr bringt und sich bisher außer uns keiner darüber aufgeregt hat. Blöder Zeitpunkt jetzt damit anzufangen…)

Obwohl jegliche Kritik bisher spurlos an Karlheinz vorübergegangen ist, zieht er dieses Mal seine Konsequenz und bleibt bei seinem Pferd stehen. Alle sitzen um einen großen Tisch, essen und lachen miteinander und er steht abseits. Nach einiger Zeit setzt er sich an einen anderen Tisch, trinkt dort seinen Kaffee und schweigt. Es sollte jemand zu ihm gehen und in der Regel würde ich das übernehmen, bezweifele aber sehr stark, dass er mit mir sprechen will. Gottseidank wird mir die Entscheidung abgenommen, denn eine Mitreiterin empfindet ähnlich und übernimmt das. Die Geschichte die sie uns dann erzählt, macht nicht nur einiges klarer, sondern mich sprachlos und wütend. Karlheinz war tatsächlich noch nie vorher auf einem Wanderritt. Er war davon ausgegangen, dass ihm alles gesagt wird was er wissen muss, also auch wie man sich in bestimmten Situationen verhält. Jetzt wäre er an seiner persönlichen Grenze angekommen und bräuchte deshalb seine Ruhe.

Selbst wenn er der erste Mensch in meinem Leben war, dem ich weh tun wollte, verstehe ich jetzt manche Dinge besser. Das teilweise rücksichtslose und gefährliche Verhalten der ganzen Tage ist vielleicht zu einem gewissen Teil charakterbedingt, hat aber meines Erachtens auch viel mit Unsicherheit und dem Überspielen derselben zu tun. Es wäre der Job des Veranstalters gewesen, solche Dinge abzufragen und dann gegebenenfalls, für den ersten Ritt, etwas Leichteres zu empfehlen. Wenn man denjenigen trotzdem mitnimmt, ist es noch wichtiger die grundlegenden Regeln zu erklären und nicht darauf zu hoffen das es irgendwie laufen wird. Diese Information an alle Mitreiter hätte wahrscheinlich sogar den ein oder anderen Ärger verhindern können. Verantwortung und Empathie gehen definitiv anders…

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Empathie geht anders…

Als wir wieder am Pferd sitzen bin ich nachdenklich. Hätte ich in manchen Situationen anders reagiert, wenn ich es gewusst hätte? Trotz allem Mitgefühl, das gerade in mir aufzieht, hat er sich selbst überschätzt. Ich höre auf diesen Gedanken nachzuhängen, denn ich war hier weder als Trainer noch als psychologischer Betreuer, sondern nur als Privatperson im Urlaub und somit war es nicht mein Job. Das gefällt mir zwar immer noch nicht, aber ich lasse es einfach so stehen.

Irgendwie ist heute die Luft raus und ich könnte nicht sagen an was das liegt. Keine Ahnung warum, aber irgendwie waren wir alle der Meinung, dass die Strecke heute kurz ist. Die Erkenntnis das dies nicht so ist, kommt nach endlosen Wegen auf denen wir uns abwechselnd durch Obstplantagen schlängeln oder auf dem allseits beliebten Radweg dahintrotten. Wir lassen uns von Radfahrern beschimpfen und weichen genervten Obstbauern aus, die mit voll bepackten Traktoren an uns Vorbeidonnern. Die unangenehme Strecke und die aufkommende Demotivation schlagen sich sofort auf das Verhalten der Pferde um. Ganz hinten kämpft eine Reiterin mit ihrer Stute, der es gerade zuviel wird und die deshalb nervös reagiert. Unsere Rittführerin kommentiert die Situation und meine Aufforderung zu warten lediglich mit genervten Augenverdrehen. Die Gruppe zieht sich immer weiter auseinander und erinnert gerade an die Karawane der Verdammten, die in der Wüste versuchen zum Wasser zu kommen. Vermutlich verdanken wir es nur der Tatsache, dass jeder auf ein baldiges Ende hofft, dass die Situation nicht eskaliert. Zum wiederholten Male wüsste ich gern was in Klara vor sich geht. Es müsste ihr doch klar sein, dass es nichts hilft vorauszueilen. Wir müssen zusammen zum Ziel kommen. Vermutlich ist ihr das  mittlerweile total egal: Sie soll uns die Strecke zeigen und in ihren Augen tut sie das.

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Geht ohne mich, lasst mich zurück… 😉

Bei der letzten Pause auf diesem Ritt ist eines deutlich zu merken: Die Nerven von allen liegen blank. Die Lager spalten sich immer mehr und auf einmal hänge ich zwischen den Fronten. Verhaltensweisen die man zuletzt in der Kinderzeit erlebt hat, kommen jetzt zum Vorschein. Weil ich jetzt „vorne“ reite, bin ich eine von „denen“. „Eine von denen“ bedeutet auch, dass ich zu den Bösen gehöre die immer nur Tempo machen und nicht auf die anderen schauen. Unglaublich wie sich hier eine Gruppendynamik entwickelt. Auch wenn es mir sehr schwer fällt, ich äußere mich nicht mehr und halte mich aus allem raus. Es fühlt sich ein bisschen so wie früher in der Schule an, wenn man sich mit den Strebern abgegeben hatte. Extreme Situationen bringen extreme Seiten an Menschen zum Vorschein, positive wie negative. Mir wird bewusst, dass wir alle nur noch „fertig werden wollen“ und das macht mich traurig…

Was ist aus meinem Traum geworden? Was aus dem Hochgefühl aller vorangegangenen Ritte? Ich nehme mir vor, mich nur noch auf mein Pferd und mich zu konzentrieren und versuche alles andere auszublenden. Es ist mein Ritt, mit meinem Pferd und ich will diese Sache so gut es irgendwie geht abschließen. In meinem Kopf ist aber nicht nur dieser Vorsatz, sondern noch ein ganz wichtiger: Nie wieder reite ich mit Veranstaltern die ich nicht kenne und mit denen ich vorher nicht geritten bin…

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Gut, nachdem das für mich geklärt ist, konzentriere ich mich auf andere Dinge. Das Panorama ist immer noch traumhaft und irgendwo an einer Wegkreuzung warten die Veranstalter auf uns.  „Ihr reitet jetzt durch ein Labyrinth und wenn ihr immer richtig abbiegt seid ihr bald da.“ lautet die Ansage. Für mich hört sich das nach Endspurt an! Für alle anderen auch und mit dieser Vorfreude traben wir los. In diesem Moment ist es sehr schön hier zu sein. Wir biegen zwischen den Baumreihen ab und die ganze Zeit über haben die meisten ein Grinsen im Gesicht. Bald ist es geschafft und dieser Abschluss durch die Plantage ist wirklich schön gewählt. Nachdem wir 5 Minuten durch die Plantagen geirrt sind und gerade anfangen an dem Weg zu zweifeln, landen wir am unvermeidlichen Fahrradweg.

Nichts ist geschafft. Zu früh gefreut! Es geht weiter, weiter an der Straße entlang, vorbei an überfahrenen Tieren und ständig überholt von genervten Autofahrern. Die Strecke scheint kein Ende zu nehmen und genau in diesem Moment bemerke ich, dass meine persönliche Grenze erreicht ist. Am liebsten würde ich absteigen, mich ins Gras setzen und mich erst wieder bewegen wenn Georg mit dem Hänger kommt. Ich habe keine Lust mehr, will einfach nur ankommen…

Nachdem ich schon befürchtet hatte, dass wir nie mehr ankommen, ist es soweit – Endspurt. Wir lassen uns jedoch nicht die Möglichkeit nehmen im Finale noch ein letztes Mal zu beweisen, dass wir als Gruppe im Verkehr wirklich ganz schlecht sind und sich das auch in 9 Tagen nicht verändert hat. Ich drehe mich um und sehe an Georgs Gesicht, dass er ebenso genervt ist wie ich. Deshalb ist es mir in diesem Moment total egal, wessen Job es eigentlich wäre. Ich stoppe von vorne die Autos um über die Brücke zu kommen, gehe los und weiß ohne mich umzudrehen, dass Georg von hinten alles klar machen wird. Er schiebt den Rest von hinten mit einem lautstarken „Vorwärts, vorwärts“ durch und ich bin beruhigt ihn zu hören. „Es ist jetzt aber schon rot!“ höre ich eine Stimme, doch die wird von einem erneuten und energischem  „Vorwärts“ unterbrochen. Ich muss grinsen und schüttele den Kopf. Man trennt keine Gruppe im Verkehr. Ist das immer noch nicht klar?

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Es geht weiter ein kurzes Stück durch das Dorf und dann haben wir es tatsächlich geschafft. Wir reiten in einen Hof und auf einmal ist alles vorbei. Unser Gastgeber begrüßt uns mit Schnaps und Sekt und ich bin unsagbar froh ihn zu sehen, denn das bedeutet, dass wir angekommen sind und es morgen nach Hause geht. Abgesehen von diesen Freuden, bin ich enttäuscht. Ich habe nicht dieses Siegergefühl, das man nach so einem Ritt haben sollte und ich habe nicht das  Gefühl etwas Besonderes geschafft zu haben. Der einzige der hier wirklich viel geschafft hat ist mein Pferd. Der hat 260 km geschafft und eine super Leistung abgeliefert. Er hat mich zuverlässig und souverän zum Ziel gebracht. Dafür darf er sogar an meinem Prosecco nippen 😉

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Prosecco ist jetzt nicht so sein Ding 😉

Das abschließende Gruppenbild entwickelt sich noch einmal zum Chaos. Zumindest steht Soleo gelassen direkt neben dem schallendem Jagdhorn und zuckt nicht mal mit der Wimper, das ist doch ein Erfolg. Nachdem die Pferde untergebracht sind, ist die Stimmung gelöst, wenngleich es immer noch 2 Gruppen gibt. Die eine besteht aus Klara und 2 Reitern, die andere aus dem Rest. Es ist jetzt vorbei und wichtig ist nur, dass wir es geschafft haben. In diese angenehme, entspannte Stimmung kommt jedoch umgehend wieder Hektik. Klara will ihren Anhänger leer haben. Jetzt! Auf der Stelle! Sie fährt zwar erst morgen und es würde reichen das später zu machen, aber ich habe aufgehört gegen Dinge anzukämpfen die mir nicht wirklich wichtig sind. In dem Anhänger ist vom Futter angefangen über Regendecken bis hin zum Zubehör für den täglichen Paddockbau alles was wir in diesen 9 Tagen gebraucht haben. Da Klara nicht mehr warten will, fängt sie an unkontrolliert und wild durcheinander alles aus dem Hänger zu tragen und in einem malerischen Durcheinander vor dem Anhänger auf einer Wiese zu verteilen. Jeder von uns versucht in dem Chaos seine Sachen zu finden und als wir damit fertig sind, nehmen wir unser Gepäck und beziehen zum letzten Mal auf dieser Reise unser gemeinsames Zimmer. Eine heiße Dusche später sind wir bereit für das Abschiedsessen.

Der erste Blick auf die Menükarte lässt mich spontan lachen. Es gibt tatsächlich Zürcher Geschnetzeltes. In den Gesichtern aller sehe ich, dass sie noch die Geschichte von Erich, unserem gestrigen Gastgeber, im Kopf haben. Die meisten stochern tatsächlich eher lustlos im Essen. Haben sie Angst, dass es doch altes Pferd ist? Die Magie der Worte sage ich da nur… 🙂

Das Essen verläuft ruhig und doch warte ich gespannt auf den Moment, der nach solchen Ritten eigentlich immer kommt. Die Feedbackrunde und die damit verbundene Frage wie es jedem gefallen hat. Die Frage kommt nicht, stattdessen öfters unangenehmes Schweigen. Die Organisatorin verteilt kleine Pokale an uns und ich persönlich freue mich sehr darüber. Wahrscheinlich sollten wir noch zusätzlich das Bundesverdienstkreuz bekommen, weil wir uns nicht gegenseitig in den Abgrund geschubst haben, aber ein Pokal ist auch schon was. 😀

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Die Stimmung bleibt angespannt und ich habe das Gefühl, dass jeder auf den Zeitpunkt wartet, an dem er/sie sich verabschieden kann. In diesem Moment steht eine von unseren Küken auf und ergreift das Wort. Sie beeindruckt mich wirklich immer wieder. Obwohl sie und ihre Freundin, Klaras bevorzugtes Motz- und Lästeropfer waren und sie sich immer wieder vor den Kopf stoßen lassen mussten, findet sie genau die richtigen Worte. Sie bedankt sich bei der Rittführung und schafft es für einen Moment, dass die Atmosphäre angenehmer wird. Das ist wahre Größe, wahrscheinlich sollte das Bundesverdienstkreuz dann doch an sie gehen. 😉

Georg und ich beschließen spontan am nächsten Morgen bereits gegen 4:00 Uhr aufzubrechen und verbinden damit die Hoffnung der letzten Rückreisewelle und den damit verbundenen Staus zu entgehen. Wir verabschieden uns von allen und ich nehme sogar Karlheinz zum Abschied in den Arm. Manchmal muss man über solchen Dingen stehen, um für sich selbst einen sauberen Abschluss zu finden. Der Abschied ist kurz aber herzlich und macht mir bewusst, dass es zwar viel Ärger und Unmut gab, ich jedoch wirklich tolle Menschen kennengelernt habe…

 

DIE ALPENÜBERQUERUNG – DER 8.TE REITTAG – Stellungswechsel…

Es gibt Tage an denen ich mir echt vorkomme als ob das alles hier eine Pilgerreise wäre und so passt das, uns ständig begleitende, Jakobsweg-Schild perfekt. Nach einem leckeren Frühstück beginnt die tägliche Morgenroutine. Pferde satteln, Paddocks abbauen und pünktlich zum morgendlichen Abschiedshorn bereit stehen…

Der Tag startet heute mit einem Schnaps aus dem Depot unserer 2 Küken. Seit dem Start verspreche ich einen mit ihnen zu trinken und heute war es dann soweit. Mit einem Feigling am Morgen kann ja nichts mehr schief gehen 😉

Die obligatorische Lagebesprechung war schon gestern Abend, weil wir heute früh  starten müssen und keine Zeit dafür haben. Grund dafür ist, dass wir heute die „langen 28“ km vor uns haben und pünktlich loslegen müssen. Gleich nach dem Start merke ich, dass dieses ständige Bremsen die Lahmheit meines Pferdes verschlechtert hat. Es kommt mir daher sehr entgegen, dass wir erst einmal führen können. Nach einem kurzen Stück haben wir unerwartet die erste, etwas unfreiwillige, Pause. Unsere Schmiedin hat den nächsten Einsatz, nachdem sich das Pferd eines Reiters an einem Viehgitter ein Eisen abgezogen hat. Diese Dinger sind zwar eine einfache Lösung für Kühe, aber ein Graus für beschlagene Pferde. Die Stelle an der es passiert, ist wie meistens in diesen Situationen, eng und unübersichtlich, aber Katrin ist taff und beschlägt in jeder Situation. Manchmal frage ich mich, wie das Ganze ohne sie geklappt hätte? Wenn wir bei jedem Hufproblem das wir bisher hatten, auf einen ansässigen Schmied hätten warten müssen, hätte sich unser Ritt mit Sicherheit extrem verzögert. Wir haben Glück und so bringt unsere Schmiedin alles in Rekordzeit wieder in Ordnung und wir können weiterreiten.

Es folgt eine länger Trabstrecke, die sowohl die Pferde als auch die Menschen sehr genießen. Wir haben heute  morgen die strikte Anweisung bekommen nicht abzusteigen, damit wir das Tagespensum schaffen und ich halte mich ziemlich lang daran. Als mein Pferd jedoch immer stärker lahmt, interessieren mich die Anweisungen nicht mehr. In diesem Moment ist gesunder Menschenverstand gefragt. Ich steige ab und führe, gebe gleichzeitig Klara Bescheid, dass sie die Organisatorin verständigen soll. Am Picknickplatz wird für uns heute der Ritt zu Ende sein. Eigentlich total schade, denn es sind nur noch diese beiden Tage, aber in diesem Fall ist mir Soleo wichtiger. Dieser Ritt ist nicht alles und er ist es auf keinem Fall wert, dass mein Bub Schaden nimmt.

Während ich mit meinem schlechten Gewissen Georg gegenüber kämpfe, kommen wir zu den ersten Apfelplantagen. Absolut beeindruckend und da ich so etwas noch nie gesehen habe, bin ich total fasziniert. Die Bewässerungsanlage sorgt auch bei uns für Abkühlung und die Pferde sind anfänglich ein bisschen aufgeregt.Nachdem sie aber festgestellt haben, dass nichts passiert gehen sie entspannt durch. Witzig am heutigen Tag ist, dass wir einen Wanderer immer wieder treffen. Mal überholen wir ihn, dann wieder er uns. Nicht so witzig allerdings als er uns frägt, warum wir nicht auf den schönen Wanderwegen reiten, sondern den Fahrradweg nehmen….

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Nach einiger Zeit, kommt wieder eine Strecke an der wir aufsteigen müssen und jetzt versuche ich eine neue Taktik. Zuerst spreche ich mich aber mit zwei anderen Reiterinnen ab. Mein Plan ist es, Soleo sein eigenes Tempo laufen zu lassen. So kann er die volle Schrittlänge nutzen und wird nicht gebremst. Nachdem die Mädels mir versprochen haben, hinter Georg zu bleiben, kann ich beruhigt mit meinem Test loslegen. Schließlich sind Georg und ich ein Team und das nicht erst seit diesem Ritt. Bei meinem ersten Ritt hat er den unerfahrenen Soleo mit seinem Pferd gesichert und jetzt hatte ich endlich Gelegenheit mich zu revanchieren, da lässt man den anderen nicht einfach allein. Als alles geklärt ist, höre ich von Georg noch ein ironisches „Verräter“ aber er weiß, dass es bei uns um Abbrechen oder Weitermachen geht.

Soleo ist erst einmal verunsichert als er merkt, dass ich ihn nicht mehr bremse und er tatsächlich richtig gehen darf. Sobald er es verstanden hat, zieht er ruhig, aber beständig an den anderen Pferden vorbei. Nachdem ich schon einmal erlebt habe, wie die Stimmung hier kippen kann, wenn nicht vorher alles geklärt ist, frage ich Klara ob das auch für sie in Ordnung ist. Alle sind einverstanden und Soleo geht mit flottem Schritt voran. Ich merke, dass er sich endlich wieder streckt und deutlich entspannter geht. Er pendelt sich hinter oder neben Klaras Stute ein und ich merke, dass er deutlich weniger bis gar nicht mehr tickt. Ich schöpfe ein bisschen Hoffnung…

Nachdem alles gut läuft, traben wir längere Stücke und es klappt hervorragend. Sogar die Kommunikation entwickelt sich ein bisschen und (positiver Nebeneffekt) es kann heute über niemanden gelästert werden. Mein Wechsel hat also gerade nur Vorteile für den Gesamtfrieden, obwohl mir unsere blöden Witze schon fehlen. Im Gegensatz dazu, bin ich total glücklich, weil es meinem Pferd besser geht. Manchmal sind es einfach schon die Kleinigkeiten die soviel ausmachen können. Mein prüfender Blick geht immer wieder nach hinten zu Georg. Ich sehe, dass ihn die Mädels als Hahn im Korb umschwirren und deshalb ist mir klar, dass er sich wohl fühlt und ich mir keine Sorgen machen muss 😉

Als wir den Picknickplatz für heute erreichen, sind wir begeistert. Der Blick ist phantastisch, es gibt sogar Anbindebalken und somit wird die Pause auch für uns Reiter bequem werden. Ein kleines Bauernmädchen bringt Maisstauden für die Pferde und alle teilen gerecht. Völlig unerwartet kommt Klara auf mich zu und erzählt mir, dass Sie eine tiermedizinische Fortbildung gemacht hat und sich gerne Soleo anschauen würde. Nachdem ich zugestimmt habe, legt sie los und schafft es tatsächlich mit wenigen Griffen die Blockade zu lösen. Den Erfolg dieser Behandlung sieht man sofort an seinem Gangbild. Ich bin fasziniert und dankbar, vor allem macht mir dieses Erlebnis bewusst, dass jeder Mensch zwei Seiten hat. Man neigt nur manchmal dazu, dass zu vergessen. Ich beschließe es zu riskieren und den Ritt fortzusetzen. Nachdem mein Pferd behandelt wurde, döst er entspannt vor sich dahin und wir können die Pause genießen. Ein gelangweilter Dorfbewohner mit hohem Alkoholgehalt, nervt uns dabei wechselweise. Das macht er genau so lange, bis er den Ansatz macht, die Hand gegen Patricias Traber Paul zu erheben. Ich glaube es gibt wenig Menschen die so lieb sind wie Patricia, aber in diesem Moment platzt ihr der Kragen und ihr „schaug das di schleichst“ zeigt sofortige Wirkung. 😉

Von der Organisation werde ich nun darüber informiert, dass wir jetzt erstmal warten und dann würden sie den Hänger zur nächsten Station fahren, ausladen und Soleo und mich anschließend holen. Ich bin heilfroh, dass es meinem Pferd wieder besser geht und ich nicht testen muss wie sehr sich ein Pferd aufregen kann, dass allein zurückgelassen wird. So steigen wir auf und es geht weiter. Wir erreichen die ersten Apfelplantagen die nicht eingezäunt sind und durch die wir reiten können. Vermutlich reite ich mit offenem Mund durch.

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Einfach nur schön…

Ich finde das alles einfach so wunderschön und so beeindruckend. Soleo denkt wahrscheinlich, dass ich verrückt bin: Wir laufen durch das Schlaraffenland und er darf nichts essen. Es bedarf all meiner Überredungskünste ihm klarzumachen, dass wir die Äpfel nur anschauen und ganz nebenbei versuche ich zu verhindern, dass die Abstände zwischen vorderen und hinteren Reitern immer größer werden. Diese Aktion nervt meine Mitreiter, aber ich gebe nicht auf. Bei den Wanderritten mit Georg reite ich auch zumeist an der Spitze und bin es gewohnt ein Auge auf alle zu haben und auf alle zu achten. Ich warte bei Straßenüberquerungen und bitte immer wieder, dass wir warten bis der Rest aufschließt. Teilweise schaffe ich es, manchmal versagt es total, ich gebe jedoch nie auf. Abgesehen von Karlheinz, der mich meidet wie der Teufel das Weihwasser, komme ich mit den Reitern gut aus, auch wenn es wesentlich ruhiger ist, als bei uns in den letzen Tagen.

Wir reiten auch weiterhin durch endlose Apfelplantagen und unsere Strecke ist heute fast 39 km lang. Trotzdem bin ich happy als ich ankomme. Meinem Pferd geht es viel besser und ich liebe Apfelplantagen. Allein hier durchzureiten macht mich schon total glücklich 🙂  (Im Gegensatz zu allen anderen die total genervt sind von den ständigen Äpfeln um sie herum. Georg beschließt sogar spontan, dass er zu Hause alle Apfelbäume fällen will. Ich hoffe das überlegt er sich nochmal  🙂  )

Die Unterkunft für die Pferde ist – wie kann es anders sein – mitten in einer Apfelplantage. Dort befindet sich ein Reitplatz, der dem Besitzer des Bio-Hotels gehört, in dem wir heute übernachten werden. Total nett finde ich, dass unser Trossfahrer und die Organisatorin die Paddocks bereits aufgebaut haben. Nicht so toll daran, dass sie alles mit einem durchgehendem Band gemacht haben und somit alle miteinander verbunden sind. Um in den Paddock zu kommen, müssen wir deshalb die Bänder aushängen auf den Boden legen, Pferd drüber führen und wieder zu hängen. Darin sehe ich jetzt nicht das Problem, die Pferde bekommen das hin. Wovor ich eigentlich Angst habe ist, dass sich ein Pferd hinlegt und mit den Beinen in den Elektrobändern hängen bleibt. Sollte das passieren und es hektisch aufspringen, wird es die kompletten Paddocks umreißen wie die Steine am Domino-Day. Ich spreche unseren Trossfahrer darauf an und er meint, dass er das auch angemerkt hätte, aber jetzt würde schon alles stehen. Gut, ich will nicht immer den Teufel an die Wand malen und auch nicht undankbar erscheinen. Außerdem tröstet mich der Gedanke, dass hier so viele Äpfel sind, dass mein Pferd im Ernstfall nicht weit laufen, sondern sich durch die Plantage fressen würde.

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Ankunft in der Apfelplantage…

Das Biohotel ist ein Traum. Die Grundeinstellung, die hier gelebt wird, gefällt mir sehr gut. Es gibt nicht unzählige Gerichte, sondern lediglich die Wahl zwischen Vegetarisch und Fleisch. Laut Besitzer minimiert das die Mengen an Lebensmitteln die weggeschmissen werden müssen enorm. Je mehr Gerichte auf der Karte stehen, desto mehr muss vorrätig sein und desto mehr wird logischerweise auch weggeschmissen. Das gefällt mir, denn ich hasse nichts mehr als die Verschwendung von Lebensmitteln.

Nach dem Essen haben wir einen Vortrag in seinem Weinkeller und obwohl ich zuerst denke, dass ich zu müde bin und Keller nicht leiden kann, bin ich begeistert. Es ist echt spannend. Es geht nicht nur um Äpfel oder Wein, sondern um alle Themen, die persönliche Einstellung zum Leben und hier vor allem zum bewusstem Leben. Ganz nebenbei wird auch viel gelacht und wir haben jemanden mitgebracht. Unser Freund und Tagesbegleiter der Wanderer ist bei uns. Schließlich haben wir diesen Tag miteinander verbracht, das schweißt zusammen.

Sehr witzig auch die Antwort auf eine Frage von einer Reiterin. Sie hat immer Bedenken wenn sie irgendwo reitet und an einem Landwirt vorbei muss, der gerade sein Feld spritzt. Jetzt will sie wissen, wie schädlich das für sie und das Pferd ist. Die Antwort vom Chef Erich kommt prompt und ernst: “ Das kommt darauf an wie alt der Bauer ist. Du musst hinreiten und nachschauen. Wenn er alt ist, dann schadet es nix weil der lebt schließlich auch noch.“ Man merkt manchen Teilnehmern an, dass sie nicht wissen ob das jetzt tatsächlich ein Witz war oder ernst gemeint ist. Erich setzt aber noch eins drauf und erzählt den entsetzt dreinblickenden Mädels, dass es immer Zürcher Geschnetzeltes gibt, wenn ein Pferd mal das zeitliche segnet. Schließlich muss man alles verwerten. Wir lachen viel und sind gelöst wie noch nie auf diesem Ritt. Ich bekomme beim Südtiroler Dialekt Heimweh und fungiere zwischenzeitlich als Dolmetscher, wenn der Dialekt zu krass wird. Dieser Abend ist mit Abstand der schönste Abend seit wir unterwegs sind. Das erste Mal in 8 Tagen, sitzen wir zusammen und lachen zusammen. Das diese Brücke ein Südtiroler geschlagen hat und es vorher nicht so war ist traurig aber nicht zu ändern.

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Gastgeber Erich und unser Wanderer

Unser Zimmer ist schön, riecht unheimlich gut nach Holz und wir haben so viele Bette, dass fast alle bei uns schlafen könnten. Die Mädels melden sich bei uns an, weil es bei uns bestimmt sehr lustig ist und wir noch feiern könnten, aber Georg streikt. Das sind dann definitiv zu viele Hühner im Stall. 😉

Später lassen wir, wie jeden Abend, den Tag noch einmal Revue passieren und können es nicht fassen: Morgen ist tatsächlich der letzte Tag. Irgendwie ist es jetzt doch schnell vorbeigegangen. Wir freuen uns beide darauf und ich schlafe schnell ein. In der Nacht weckt mich das obligatorische blaue Facebook-Licht. Georg ist wieder aktiv 😉 Mich stört das nicht und irgendwie ist es vielleicht sogar ausgleichende Gerechtigkeit. Georg muss seinerseits damit klar kommen, dass ich mitten in der Nacht hochschrecke, ihn frage welches Pad ich jetzt beim Satteln hernehmen soll und schon wieder schlafe während er mir antwortet. Ein gutes Team mit allen Ecken und Kanten…

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Unser Zimmer im Bio-Hotel

DIE ALPENÜBERQUERUNG – DER 7.TE REITTAG – Teil III – Die unendliche Geschichte…

Dieser Tag hat wirklich das Potential zur unendlichen Geschichte. Nachdem ich ziemlich erschrocken über mein verborgenes Aggressionspotential bin, beschließe ich, dass ich jetzt herunterfahren muss. Ich weiß, dass ich nie jemanden in Stich lassen werde, aber ich muss nicht grundsätzlich an vorderster Front für alle kämpfen.

Nach der Kaffeepause geht es zügig weiter, weil wir wissen, dass wir noch eine ziemliche Strecke zu bewältigen haben. Wir steigen auf und legen los. Soleo lahmt erneut und häufiger. Wann immer wir also Schritt gehen, steige ich ab um ihn zu entlasten, dies finde ich vor allem deshalb für sinnvoll, weil wir jetzt wieder nur auf Radwegen oder Straßen und somit Asphalt gehen. Ich glaube tatsächlich, dass ich noch nie soviel zu Fuß gegangen bin, wie in den vergangenen Tagen.

Mir persönlich scheint es gut getan zu haben, komplett auszurasten, weil ich jetzt wieder entspannt bin und mir diejenigen, die es nicht sind, aus dem Weg gehen. Was will man mehr?

Der Weg zieht sich schier endlos und manchmal hat man das Gefühl, dass die Straße nie aufhören wird. Was würde ich jetzt für einen Waldweg geben oder einen Trampelpfad, einen simplen Feldweg, egal, irgendetwas mit Aussicht auf Bäume und Berge und nicht Häuser und Hauptverkehrsstraßen. Vielleicht weiß man die Dinge erst dann zu schätzen, wenn man spürt wie es ohne sie ist. Erleichtert sehe ich, dass wir auf einen Kiesweg abbiegen und direkt auf eine Gondelbahn zureiten. Die Pferde sind total entspannt und es stört sie auch nicht, dass die riesigen Gondeln über ihren Köpfen davonschweben.

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Es geht weiter, jedoch ist die Freude über den schöneren Weg nicht von langer Dauer, denn bereits nach kurzer Zeit geht es wieder an der Straße entlang. Das Gefühl, das wir niemals an diesen See kommen und wahrscheinlich morgen noch auf diesem Radweg unterwegs sind, macht sich breit. Obwohl es ja klar war wo wir hinreiten, bin ich doch überrascht, als etwas kommt, dass mich sofort aufheitert. Wir reiten auf die Grenze zu und auf einmal sind wir in „BELLA ITALIA“. Einfach so, den Fahrradweg entlang und in Italien gelandet.

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Kaum zu glauben, wir haben es geschafft und sind zumindest schon mal in Südtirol angekommen. Blöd, dass mein erster Gedanke der ist, dass wir es bald geschafft haben und ich dann nach Hause fahren und wieder meine Ruhe haben kann. Solchen trübsinnigen Gedanken kann ich auch weiterhin wunderbar nachhängen, weil wir weiterhin endlos auf einem Radweg gehen und ich fest davon überzeugt bin, dass dies die road to nowhere ist. Die Freude in Südtirol zu sein ist immer noch vorhanden und ich rede mir gerade selber ein, dass es nicht mehr lang dauern kann. Mein positives Denken ist nicht sofort von Erfolg gekrönt, aber gerade als ich schon am Verzweifeln bin und beschließe mich jetzt einfach an den Straßenrand zu sitzen und dort zu bleiben, taucht er vor uns auf:

Der Reschensee

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Wir machen eine kurze Pause in der Klara telefoniert und müssen dann sofort weiter. Da ich hier schon einmal Urlaub gemacht habe, weiß ich, dass wir jetzt durch einen Touristenort kommen. Das bedeutet: Es gibt einen Spazierweg für Fußgänger und Fahrradfahrer und daneben eine Liegewiese. Die Zeit für die Liegewiese ist zwar jetzt vorbei, aber es ist das perfekte Wetter um den See zu genießen. Man merkt das, denn es sind viele Menschen unterwegs. Ich freue mich auf den Weg am See entlang und schnalle gerade den Strick zum Führen ein. „Mia, steigst du jetzt auch auf, wir müssen uns beeilen“ Die Ansage kommt von unserer Rittführerin Klara und ich verstehe zwar nicht, warum ich im Sattel schneller Schritt gehen kann, als wenn ich führe ABER ich denke für einen Tag hatte ich schon genug Streit und deshalb steige ich auf.

Als wir zur Uferpromenade kommen, sieht es noch genauso aus, wie ich es in Erinnerung hatte. Die Touristen genießen die Sonne und Eis, Radfahrer sind gemütlich unterwegs und wir wechseln auf den Grünstreifen (im Sommer die Liegewiese) damit alle Platz haben. Während ich mich noch freue, dass die Pferde keinen Asphalt unter den Hufen haben, sehe ich das Klara das Zeichen zum antraben gibt. Ok, ich finde es zwar sicherheits- und Fußgängertechnisch nicht so toll und etwas fragwürdig, da wir jedoch dem Zeitplan hinterherhängen und noch so eine weite Strecke vor uns haben ist ein langsamer Trab eine Option mir der man leben kann. Wir sind verantwortungsvolle Reiter und nehmen Rücksicht. Mein Gedanke ist noch nicht fertig gedacht, da wird aus dem langsamen Trab ein Galopp. Auf der Wiese prinzipiell kein Problem, aber ist das soziales Verhalten gegenüber den anderen Leuten die hier zu Fuß unterwegs sind? Ich habe keine Zeit um über den sozialen Aspekt nachzudenken, denn – für uns nicht sichtbar – gibt es hier noch Gullideckel und andere Hindernisse, die nicht ungefährlich sind, jedoch von unserer „Führungsspitze“ nicht beachtet werden. Lediglich von denen die gerade drüberstolpern wird es mit lautem „Vorsicht“ kommentiert, damit die nachfolgenden Reiter vorgewarnt sind. Es ensteht natürlich ein ständiges Abbremsen und Losstürmen und gerade für eine Stute ist diese Hektik zuviel und sie wird für die Reiterin immer schwerer zu handeln.

Ich beschließe mit meinem Buben erst einmal Abstand zu diesem Chaos zu halten. Damit geben wir uns die Möglichkeit zu sehen was auf uns zukommt und können ohne Stress folgen. Ich grinse entschuldigend die kopfschüttelnden Passanten an und wundere mich gerade nicht, warum wir Reiter so unbeliebt sind. Mein Pferd hält ruhig den Abstand und in diesem Moment bin ich ihm unsagbar dankbar für seine Ruhe in den richigen Situationen. Irgendwann haben wir auch diesen Abschnitt geschafft und kommen auf einen Fußweg der am See entlang führt. Seltsamerweise haben wir heute nur Strecken, die sich extrem in die Länge ziehen und so ist es auch hier. Nach einem Fußmarsch in dem mir immer der Liedtext von den Talking Heads durch den Kopf geht bin ich unsagbar erleichtert als endlich das Schild  Graun in Vinschgau auftaucht.

Nachdem wir Graun endlich erreicht haben, sind wir alle kurz überrascht. Den ganzen Tag wurde Druck gemacht und gehetzt und jetzt hat unsere Rittführerin ein Treffen mit dem Wirt unserer nächsten Unterkunft ausgemacht. Der bringt seine Tochter und jetzt wird diese aufs Pferd gesetzt und bis zur Unterkunft geführt. Ich finde die Geste schön, aber dem entgegen steht der Druck des ganzen Tages und die ständige Aussage, dass wir uns beeilen müssen. Wir haben keine Zeit um schöne Bilder vor der versunkenen Kirche im See zu machen, keine Zeit für ein Eis unterwegs, denn wir müssen uns ständig beeilen. Ich habe irgendwann an diesem Tag aufgehört, mir Gedanken zu machen, mich zu ärgern oder die Dinge in Frage zu stellen, blende alles aus und singe vor mich dahin: „We’re on a ride to nowhere, come on inside. Taking that ride to nowhere, we’ll take that ride. Maybe you wonder where you are, I don’t care… 😉

Körperlich merke ich, dass dieser Tag sowohl mich als auch den jetzt immer öfter lahmenden Soleo an die Grenzen bringt. Endlich das Ende des Sees zu sehen ist deshalb wie Weihnachten und Ostern an einem Tag. Jetzt kann es nicht mehr lang sein und tatsächlich wir erreichen nach kurzer Zeit den Gasthof. Wie schon seit Tagen verarzte ich mein Pferd mit einer Creme die mir Klara gegeben hat und das ist das eigentlich widersprüchliche. Manchmal so hilfsbereit und dann komplett ablehnend und ignorant. Ich habe heute keine Lust mehr über solche Dinge nachzudenken und mache mich mit Georg an die Arbeit. Den Paddockbau und das Verstauen aller Sachen finde ich an diesem Tag sehr anstrengend und ich bin froh als wir endlich unsere Zimmer beziehen können.

Was mich total glücklich macht ist der vertraute Südtiroler Dialekt und unser gemütliches Zimmer. Zum Essen gibt es heute etwas Deftiges und einen Abschluss mit hausgemachten Limoncello.

Nach diesem Tag möchte ich einfach nur noch meine Ruhe haben, aber noch vor dem Essen sucht Klara das Gespräch mit mir. Sie gibt zu, dass sie tatsächlich übersehen hatte, dass Karlheinz nicht am Pferd war und wohl etwas überreagiert hat. Ich finde es gut, dass sie das von sich aus sagt. Nachdem sie am Beginn des Rittes erzählt hatte, dass Karl-Heinz bei ihr reiten gelernt hat, lege ich ihr ans Herz ihren Schülern beizubringen, wie man sich richtig im Straßenverkehr verhält. Jetzt sagt sie, dass er nicht ihr Schüler ist, sondern nur 2 Pferde bei ihr gekauft hätte. Ich will das nicht mehr hinterfragen und nach einem Telefonat mit meinem Schatz gehe ich schlafen. Noch 2 Tage…

DIE ALPENÜBERQUERUNG – DER 7.TE REITTAG – Teil II

…und weil Karlheinz nun mal ist wie er ist, achtet er nur auf sich selbst, denn schließlich hat er Urlaub. Als wir immer noch alle total begeistert zusammenstehen, kommen die Polizisten erneut auf uns zu und sagen uns, dass wir hier nicht bleiben können…

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Wir müssen nochmal raus auf die Straße und erst eine andere Abfahrt runter. Dazu muss die Straße nochmal gesperrt werden und (wen wundert es) es muss wieder einmal schnell gehen. Alles kein Problem, ich bin bereit. Dieses Mal reite ich Soleo ganz dicht an das Ende der Gruppe, denn es hat Spaß gemacht durch den Tunnel zu rasen und so machen wir das jetzt auch. Mein Dauergrinsen ist immer noch da. Georg ist vor mir, wir machen unsere Scherze und dann drehe ich mich um…

Zuerst kann ich es nicht einordnen. Warum steht Patricia noch so weit hinten. Als ich genau hinsehe, kann ich den Grund erkennen: Karlheinz! Der ist nämlich noch einmal abgestiegen und ich kann euch beim besten Willen nicht sagen warum! Wahrscheinlich habe ich es mittlerweile einfach verdrängt oder es erschien mir zu diesem Zeitpunkt schon so absurd, dass ich es sofort wieder vergessen habe. Vermutlich musste er irgendetwas festbinden, Tempos suchen, sich die Haare kämmen, in der Nase bohren oder etwas ähnlich wichtiges machen. Ganz egal was er gerade macht, Fakt ist: Er steht neben seinem Pferd und das trotz der drängenden Patricia und unserer mittlerweile extrem genervten Rittführerin.

Diese sieht mich zögern, schaut aber gar nicht nach weiter hinten und schreit mich an: „Vorwääääääärts, wir müssen uns beeilen! Die Polizei will das wir uns beeilen!“ Ich schreie zurück, dass sie warten muss, weil Karlheinz nichts so weit ist, sie wiederholt nur, dass wir uns beeilen müssen und das Ende vom Lied? Typisches Sender – Empfänger Problem, sie hat anscheinend die beiden hinten nicht realisiert und bringt ihr Pferd in Bewegung. Dieses Mal auch nicht im langsamen Trab, sondern mit richtig Tempo. Ich brauche nicht zu überlegen was ich tun soll, ich kann nicht abhauen, denn wie wir alle wissen (oder es zumindest tun sollten): Pferde – Herde – Trieb – Panik.

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Die Gruppe ist direkt hinter der Rittführung und ich stehe mit meinem, jetzt doch panisch werdendem, Pferd in der Mitte. In diesem Moment dreht sich Georg um und sieht was hier abläuft. Er versucht Apollo zu bremsen, der aber logischerweise hinter der Herde her will und nicht begeistert von dieser Idee ist. Karlheinz, komplett entspannt und ruhig steigt auf sein Pferd und wirkt eher genervt von unserer Ungeduld. Dann galoppiert er wortlos und ohne irgendeine Ansage an. Bei dem Wechsel zwischen altem und neuen Asphalt rutscht sein Pferd weg. Ihn interessiert weder das, noch das unsere Pferde jetzt natürlich auch mit dem Kumpel fliehen und den anderen folgen wollen. Paul schießt hinterher, wir stehen noch auf demselben Fleck, denn Soleo zieht sich gerade so hoch, dass er auf der Stelle piaffiert und testet ob man die Straße auch auf 2 Beinen, hüpfend wie ein Karnickel, überwinden könnte, um sich dann für abgehacktes, seitliches galoppieren zu entscheiden.

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Der neue Asphalt ist nicht gerade hilfreich bei meinem Versuch mein Pferd herunterzuspielen und zeitgleich einen klaren Gedanken zu fassen. Eigentlich ist in meinem Kopf gerade das komplette Gedankenchaos:

  • Verdammte Scheiße, ich will das nicht!
  • Tief atmen!
  • Ich würde jetzt gern absteigen! (Da ich gerade das letzte Pferd hinter der Kurve verschwinden sehe, ist das keine gute Idee.)
  • Tief atmen!!!!
  • Ich hasse meine soziale Ader! Warum war es mir eigentlich nicht scheißegal, wie dieser Typ allein zurechtkommt. (Die Antwort kann ich mir aber auch gleich selber geben: Patricia war dabei und selbst wenn er allein gewesen wäre, sowas macht man nicht.)
  • Was ist wenn ich ihn jetzt einfach laufen lasse? (Kurzer Test zeigt, dass wir uns dann mit Sicherheit das Genick brechen, weil er 0,0% aufpasst und nur panisch zu den Kumpels will?)
  • Richtig tief atmen!
  • Warum zur Hölle wollte ich diesen Ritt machen?
  • Ok, jetzt habe ich ihn gleich…
  • Jesus!!!! Da ist Patricia!!!! Und ja, da – ebenfalls quer auf der Straße galoppierend – ist auch Georg. Halleluja…

Ich habe mich selten so gefreut jemanden zu sehen wie in diesem Moment, die beiden mit ihren Pferden. Es war mit Sicherheit nur ein Augenblick bis ich um diese Kurve und sie wieder in meinem Blickfeld waren und doch hat dieser Augenblick für so viele Gedanken gereicht. Mein erster Satz an Patricia ist deshalb auch „Ey, lass mich nicht allein hier hinten!“ Sie schafft es sogar zu grinsen und meint beruhigend „Na, na i bleib scho do!“ Georg und Apollo reiten immer noch quer und vom Rest ist nichts mehr zu sehen.

Ich brauche insgesamt ca. 500 Meter um Soleo einzufangen. Das hört sich nicht weit an, ist aber ein langes Stück Straße und eine endlos lange Strecke, wenn du gerade keine 100%ige Kontrolle über dein Pferd hast. Mein einziges Ziel ist es deshalb, mich selbst ruhig zu halten, damit Soleo sich beruhigen kann. Ich gehe vor, wie bei meinen Angstkursen und gebe mir gedanklich Anweisungen: „Tief in den Bauch atmen, Absätze tief, Hände locker, immer wieder nach vorn überstreifen, Atmen nicht vergessen!“ Und dann kommt der Moment, an dem ich merke, dass es ankommt und mein Pferd zumindest in Teilen wieder bereit ist zuzuhören. Die ganze Zeit über ist Patricia mit Paul an meiner Seite und das ist etwas, dass ich ihr definitiv nie vergessen werde.

Georg hat zwar Abstand zu uns, aber ich weiß, wenn es brennt findet er einen Weg zu helfen oder mich zumindest aufzufangen wenn ich mit meinem Pegasus vorbeifliege.

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Dann ist es soweit und ich spüre, dass ich jetzt angaloppieren kann. Es ist sogar ein langsamer, wenn auch äußerst spanischer Galopp. Vor allem aber ist es ein Galopp, den ich kontrollieren kann. Er ist angespannt, aber alles ist gut. Georg sieht das und konzentriert sich auf sein Pferd. (Kommentar hinterher: „Ich hab doch gesehen, dass du das im Griff hast.“) Jetzt reiten wir über die Schnellstraße und können es auch wieder genießen. Zu dritt so eine Straße für uns und das mit 3 Pferden, die es gerade echt verstehen eine Show abzuliefern, das hat schon was. Der Polizist grinst uns nett an als wir die Straße verlassen und dann steht sie da: unsere Gruppe…

Während wir einreiten und in betretene Gesichter schauen, beschließe ich nicht auf Konfrontation zu gehen. In meinem Kopf läuft ein Mantra ab „Ich rege mich nicht auf, ich rege mich nicht auf, ich rege mich nicht auf…“ Als Persönlichkeitstrainer sollte ich wissen, dass mein Unterbewusstsein das Wort „nicht“ ignorieren wird, als Mensch bin ich gerade so gereizt, dass ich nicht klar denken kann und dann reicht ein Blick der Rittführung, um aus der Haut zu fahren und ich muss mal ganz deutlich nachfragen, ob die Körperöffnung, an die die Sonne nie scheint, eventuell geöffnet sein könnte. Das ist jetzt die leserfreundliche Umschreibung meiner eigentlichen Aussage.

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Ich bin ein bisschen von mir selbst überrascht, denn eigentlich würde ich so etwas allerhöchstens sagen, wenn ich jemanden davon erzähle – aber so direkt? Ja, ich glaube hier kommen gerade alle meine Facetten zum Vorschein, auch die, die im Rahmen meiner guten Erziehung eliminiert wurden. Der Satz „Wir mussten uns beeilen.“ schmeißt meine Beherrschung dann ganz über den Haufen. Ich versuche bewusst zu machen, dass Karlheinz nicht am Pferd war und es ihre Aufgabe gewesen wäre, auf ihn zu warten. Karlheinz wiederum schaut gelangweilt in der Gegend rum und ist sich keiner Schuld bewusst.

Sehr amüsant auch der Erklärungsversuch, dass die Polizei einfach die Sperre aufgehoben hätte und dann keiner mehr Rücksicht genommen hätte. Sorry, die Polizisten sind keine Idioten! Was sind das für Räubergeschichten!. Mein „So ein Bullshit!“ wird von Georg abgebrochen. Der hat wohl erkannt, dass ich gleich ausflippe und bringt alle dazu weiterzureiten, weil wir noch sooooo eine lange Strecke vor uns haben. Man merkt, dass mich mein Freund Georg schon sehr lange kennt. „Reg dich erstmal ab, das ist es doch nicht wert!“ Damit hat er wohl recht und so mache ich weiter was ich auf der Straße begonnen habe. Tief atmen….

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Leider hätte ich ein bisschen Zeit gebraucht, um mich wieder abzuregen, aber wir gehen nur einen kurzen Weg und dann wartet die Organisatorin am Wegesrand, um den ausgefallenen Kaffee von der Mittagspause nachzuholen. An und für sich eine tolle Sache, wenn – ja wenn, da nicht Karlheinz wäre. Der Karlheinz der noch kein einziges mal auf diesem Ritt kapiert hat, wenn er andere in Gefahr gebracht hat, genau dieser Karlheinz kommt, während ich noch auf meinem Pferd sitze, auf mich zu und fängt an zu argumentieren.

Er verstünde gar nicht warum ich mich so aufrege. Ich nehme mich zusammen und versuche ihm ruhig zu erklären, wie ein Pferd funktioniert. Was es mit dem Herdentrieb auf sich hat, das wir – also Patricia, Georg, er und ich, für uns eine Herde waren und wir gefahrlos hätten hinterher reiten können, bis zu dem Zeitpunkt an dem er abgezischt ist. Sein Argument, dass er bei uns nicht reiten kann, weil unsere Pferde zu gefährlich sind, schmeißt erste Funken auf die Lunte, die direkt zu meinem äußerst scharf geladenen innerem Pulverfass führt.

Georg sieht mich an und merkt, dass es jetzt gleich vorbei ist mit Diplomatie und Psychologie und versucht mich mit einem Handwinken zu beruhigen. Ich bin bemüht! Meinen Mühen entgegen steht aber ein Mensch, der nicht weiß, wann es Zeit ist ruhig zu sein oder zu gehen. „Also schließlich hast du ja unterschrieben, dass du in jeder Gangart reiten kannst, dann musst du dich jetzt nicht so aufregen. Ich kann auch nichts dafür das du nicht reiten kannst!“ 2 Sekunden absolute Stille, dann sage ich sehr leise und aufs äußerste beherrscht „Ich habe nicht unterschrieben, dass ich einem Idioten auf der Teerstraße hinterher schießen muss und jetzt tu dir selbst einen Gefallen und geh einfach!!!!“

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Karlheinz ist jetzt in Fahrt und beginnt einen Vortrag über unsere gefährlichen Pferde zu halten und weil er jetzt nicht geht, riskiert er tatsächlich der erste Mensch zu werden, dem ich eine deftig, bayerische Watschn geben muss. Ich versuche es nochmal mit Atmen. Beim nächsten „…ja aber…“ ist es jedoch mit jeglicher Selbstbeherrschung vorbei. Ich springe von Soleo, wie die Trickreiter in Pullmann City, und schreie im Flug „So und jetzt krachts…“ Ich habe keine Ahnung woher Georg so schnell kommt und warum er mich sofort am Ärmel hat, während ich in Richtung Karlheinz will und weiterbrülle „Der fangt etzt oane, vielleicht schoit a dann`s Hirn wieda ei!!!“ (Für Nichtbayern: Ich hege die Hoffnung, dass ein Schlag auf seinen Kopf, seine Fähigkeit für logisches Denken reaktivieren könnte!)

Ich glaube, dass mich nicht viele Leute in dieser Situation bremsen können, denn genau in diesem Moment will ich ihm einfach eine reinhauen. Nicht weil ich gewalttätig bin, sondern einfach in der Hoffnung, dass er aufwacht und erkennt, was er gerade für einen Scheiß labert. Georg hält mich immer noch mit einer Kraft am Ärmel fest, die mich zwingt ihn anzuschauen. Er grinst mich breit an und meint „Das bringt doch nichts!“ Ich bin anderer Meinung, aber sein Grinsen lässt mich schlagartig erkennen, wie grotesk und unfreiwillig komisch die ganze Situation gerade ist und so muss ich tatsächlich über mich selbst lachen. „Hast du das gemerkt? Ich wollte ihm echt weh tun?“ Jetzt lachen wir beide und gehen kopfschüttelnd Kaffee holen, während Karlheinz (immer noch vor sich dahin meckernd) den nächsten Leuten auf die Nerven geht.

Unsere Rittführerin kommt zwischenzeitlich auf uns zu und gibt zu, dass sie Karlheinz nicht gesehen hatte. Die Schuld aber jetzt allein auf ihn zu schieben, finde ich nicht richtig. Es wäre in ihrer Verantwortung gelegen, denn das ist der Job des Rittführers. Ihre erneute Aussage, dass die Polizei dann die Sperre aufgehoben hätte und die Autos von allen Richtungen gekommen wären, will ich nicht mehr kommentieren und überlasse daher Georg die Debatten. Heute will ich einfach ankommen und meine Ruhe haben.

Ich habe zu diesem Zeitpunkt noch keine Ahnung, wie lange es dauern wir, bis sich mein Wunsch erfüllt, aber davon im nächsten Teil mehr…

Die ganze Situation wird mir nach dem Urlaub noch einmal vor Augen geführt werden. Eine unserer Mitreiterinnen wollte das wunderschöne Panorama und den Blick über die Straße in einem Video festhalten. Angelockt durch mein Geschrei, hat sie die Kamera drauf gehalten. Ich sag nur soviel: Ich hatte keine Ahnung, dass ich so aggressiv sein kann und danke, dass es nicht in das Gruppenalbum geladen wurde. ❤

DIE ALPENÜBERQUERUNG – DER 7.TE REITTAG – Teil I

Ich starte am frühen Morgen und fahre mit Katrin zum Stall. Heute ist improvisieren angesagt, denn vor uns liegt der Ritt durch den Reschentunnel und hierzu ist es wichtig, dass die Pferde den richtigen Halt haben. Wir können es uns nicht leisten ohne die wichtigen Widia-Stifte zu reiten. Katrin hämmert die abgebrochenen raus, baut neue rein und schon ist mein Pferd bereit, für den anstrengenden Tag der vor uns liegt.

Laut Veranstalter wird dies heute der schlimmste Tag, weil wir zu 80% auf der Teerstraße sind. Ich denke, dass dies keinen großen Unterschied macht, da wir auch bisher überwiegend auf Fahrradwegen unterwegs waren (also ebenfalls asphaltierten Wegen) und der einzige Unterschied heute der sein wird, dass wir schnell durch den Tunnel kommen müssen. Es geht noch einmal kurz zurück in unser Hotel zum Frühstück und dann kann es losgehen. Wir starten mit dem unvermeidlichen Jagdhorn und mittlerweile finde ich es witzig. Alle Pferde haben sich daran gewöhnt und so gibt es keine nervösen und tippelnden Pferde mehr. Wir ziehen los und mir fällt auf, dass wir nicht mehr die  Einzigen sind, die ihr Pferd zu Beginn führen.

Wir gehen durch ein schönes Dorf und genießen die Häuser, das Bergpanorama und auch die geschnitzten Figuren. Soleo hat sich abgeregt und dankenswerter Weise seine Holzphobie wieder vergessen.  😉

Als wir alle an einer stark befahrenen Hauptstraße stehen und auf eine Möglichkeit zum Überqueren warten, ertönt der Ruf „Alle aufsteigen, jetzt!“ Georg sieht mich irritiert an. Da wir jedoch niemanden aufhalten wollen, fragen wir nicht nach und steigen auf. Bis 6 Reiter am Pferd sind, dauert es eine Zeit und weil wir nicht alleine auf dieser Welt sind und hinter uns Autos warten, verzögern wir mit diesem Manöver, nicht nur für uns, die Überquerung der Straße.Die Pferde fangen an zu tippeln, weil sie nicht wissen wie sie die plötzlich auftretende Hektik bewerten sollen und wir stehen alle auf engstem Raum, zwischen Hauptstraße und nachfolgenden Verkehr gequetscht. Irgendwann kommt der nächste Schrei und wir sollen losstürmen wie die Kavallerie bei der Schlacht am Little Bighorn.  Das Chaos das dabei entsteht, dürfte übrigens ähnlich gewesen sein.

Da der eher halbherzige Versuch die Autos von beiden Seiten zu stoppen nicht erfolgreich war, kommt jetzt nämlich die Holzhammermethode: Augen zu und durch. Wir sind wie immer hinten und können es nicht fassen, während ich immer noch die „Los, Los!!!“ Rufe höre. Ich hänge an meinem Leben und der Rest tut dies anscheinend auch und so warten wir lieber bis der Verkehr steht, stürmen dann aber sofort pflichtbewusst hinterher. Wir wollen die Aktion ja nicht unnötig verzögern, denn wenn es so wichtig ist aufzusitzen, wird das seinen Grund haben. Vermutlich müssen wir dieser Straße längere Zeit folgen. Der Gedanke ist noch nicht zu Ende gedacht, da biegen wir schon auf einen Wiesenweg ab. Und wegen dieser paar Meter der ganze Aufstand?

„Warum muss ich an einer gefährlichen Stelle aufsteigen um die Straße zu überqueren?“ kommt es fragend von Georg. Ich überlege kurz und antworte dann „Vermutlich damit du besser aussiehst wenn dich ein Auto überfährt. Auf dem Pferd sitzend wirkst du gleich viel heldenhafter, als Fußgänger ist das nicht so spektakulär!“ Die Antwort gefällt ihm und lachend reiten wir den Wiesenweg entlang. Manche Dinge darf man einfach nicht ernst nehmen.

Es geht weiter, wieder einmal auf dem Radweg und neben der Schnellstraße. Der Weg zieht sich endlos dahin und das Wetter wechselt ständig zwischen sonnig, kühl und dann wieder windig. Nach diesem eher anstrengenden Stück kommen wir im Anschluss zu einem wunderschönen Teil der Strecke. Die Grenzfeste Altfinstermünz. So finster wie sich das anhört ist es jedoch gar nicht, sondern sehr beeindruckend. Es handelt sich um die ehemalige Zollstation und bei Nauders führt die Brücke über den Inn. Inmitten des Inns steht der alte Klausenturm mit der Holzbrücke, die ein Bindeglied zwischen Tirol und dem Engadin bildet. Seit der Römerzeit führt der Weg der Via Claudia Augusta hier durch und es beeindruckt einerseits durch den laut rauschenden Fluss und andererseits durch die einfache Schlichtheit.

Reiterlich ist meine Herausforderung, dass Soleo warten muss, bis alle Pferde über die Brücke und durch das Tor im Turm gegangen sind und er dann erst folgen darf. Er ist nervös und tänzelt, aber das ist auch verständlich. Es ist extrem laut und alle Kumpels sind außer Sichtweite, er schafft es trotzdem wieder ruhig zu werden und abzuwarten. Ein tolles Gefühl, als er dann nicht hinterher stürmt sondern im normalen Tempo über die Brücke geht und mir die Gelegenheit gibt, das alles bewusst wahrzunehmen. Einziger Wermutstropfen an diesem Ort: Katrins Handy fällt runter und sie hat nicht nur die unvermeidliche Spider-App, sondern einen kompletten Totalschaden…

Wir reiten weiter und kommen dann zu der Abzweigung, die wir nehmen müssen um den alten und mittlerweile gesperrten Reschentunnel zu erreichen. An diesem müssen wir pünktlich sein, weil wir dort von der Polizei abgeholt werden, die uns wiederum durch den aktiven Teil des Tunnels geleitet und den Verkehr für uns stoppt. Den Zugang zu dem Weg den wir jetzt reiten müssen, hat jedoch jemand mit großen Steinen versperrt. Vermutlich, weil der Weg nicht benutzt werden soll…

Wir beginnen zumindest so viele Steine beiseite zu schaffen, dass wir  irgendwie mit den Pferden über diesen Haufen klettern können. Als das gelungen ist, erklimmen die Pferde einen steilen Serpentinen-Fußweg nach oben und er ist teilweise so schmal, dass es an ein Wunder grenzt, dass hier nichts passiert.

Endlich oben angekommen kommt man sich vor, wie in einem Endzeitfilm aus den 80ger Jahren. Dort wo einst die Straße war, die alle sonnenhungrigen Bayern nach Italien geführt hat,  liegt jetzt Schmutz, Felsbrocken und Geröll. Wegen der Steinschlaggefahr ist es vorgeschrieben, dass wir in den Tunnel reiten und dort warten bis die Polizei kommt. Das gibt mir Zeit mich umzusehen. Wasser läuft von der Decke, es ist eiskalt und es herrscht ein bedrückendes Gefühl, aber es ist ein Abenteuer und man kann nicht leugnen, dass die Spannung mit jedem Moment wächst.

Leider kommt unser Geleitschutz zu spät. Um genau zu sein, lassen sie uns 1 1/2 Stunden warten. Das Gute daran ist, dass unsere Versorgung gut funktioniert und das Picknick vorgezogen wird. Das bedeutet, dass ich zwar immer noch friere, aber wenigstens keinen Hunger mehr habe.

Dann geht alles ganz schnell. Die Polizei ist da und das einzige was wir mitbekommen ist, dass die Beamten sehr darauf drängen, dass wir Gas geben sollen. Am liebsten wäre es ihnen, wenn wir im Galopp durch den Tunnel rasen würden. Ein zuverlässiges Pferd muss nach hinten und so reihe ich mich mit meinem Buben hinter den anderen ein. Dieses Mal sind wir aber nicht allein, denn Patricia ist mit ihrem Paul bei uns.

Unser Job ist es, alles von hinten zu sichern. Eigentlich kein Thema, aber mein Pferd verpasst den Anschluss. Schließlich muss er erst einmal schauen, was da hinter uns so blinkt und warum die fremden Leute da stehen. Das doch sehr laute Klappern der Hufe auf der Straße weckt ihn wieder auf und lässt ihn erkennen, dass die Kumpels schon gestartet sind. Nach den ersten Schrecksekunden beruhigt er sich und los geht es. Der Tunnel ist anfänglich offen und schließt sich dann komplett. Im flotten Trab schießen wir in den dunklen Teil und das ist einfach Adrenalin pur.

Ich glaube genau für diese Momente hat sich sämtlicher Ärger und Stress gelohnt. Im Tunnel stehen Bauarbeiter mit ihren Lampen und man sieht ihnen ganz deutlich an, dass man so etwas hier auch nicht oft sieht. Einige filmen, andere winken, ich bin geflasht und merke, dass ich das breite Grinsen in meinem Gesicht nicht verändern kann.

40 Eisen klappern durch den Tunnel, das Geräusch ist beeindruckend und man muss begeistert und glücklich sein. Die Endorphinausschüttung ist in vollen Gang und so viele Glückshormone beflügeln. Wir kommen an den Autos vorbei, die wegen uns warten müssen und man merkt, dass der Funken überspringt. Jeder winkt und lacht und ich glaube, dass wir während der ganzen Reise nicht einmal so gesammelt glücklich waren. Dieses Erlebnis verbindet definitiv und wir alle sind so wahnsinnig stolz.

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Karlheinz hat im Tunnel sein Stallhalfter verloren und die Veranstalterin bringt es ihm nach. Deshalb steigt er ab und verstaut es wieder auf seinem Pferd. Dann sitzt er wieder auf. Karlheinz wäre aber nicht Karlheinz, wenn das alles wäre.

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Aber die Geschichte wie ich zum ersten Mal in meinem Leben komplett die Beherrschung verliere und das Bedürfnis habe mich zu prügeln kommt im nächsten Teil…